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Spurensicherung auf Vorrat
In Thüringen berät man darüber, wie Beweise für Gewalt gegen Frauen zunächst vertraulich erfasst werden können
Erfurt. Bei einem Runden Tisch soll darüber beraten werden, wie vor allem bei Frauen Spuren von gewalttätigen und sexuellen Übergriffen zunächst vertraulich gesichert werden können. Zudem wollen die Experten klären, wie diese Spuren dann auch nach Jahren noch einem mutmaßlichen Täter zugeordnet werden können. Hierzu liegt ein konkreter Vorschlag von Thüringens Gleichstellungsbeauftragter Katrin Christ-Eisenwinder vor, der auf Erfahrungen etwa aus Berlin basiert. Die erste Zusammenkunft des Gremiums war für Donnerstag angesetzt. An dem Runden Tisch »Vertrauliche Spurensicherung« sitzen in den kommenden Monaten unter anderen Vertreter des Thüringer Innen- und des Justizministeriums sowie des Landesfrauenrates.
In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass Frauen, die häusliche oder sexuelle Gewalt erfahren haben, den Täter erst Monate oder gar Jahre nach dem Übergriff anzeigen wollten, sagte Christ-Eisenwinder der dpa. Dann seien allerdings häufig keine gerichtsverwertbaren Spuren mehr vorhanden. »Thüringen hat dazu seine Hausaufgaben nicht gemacht in den vergangenen 20 Jahren«, kritisierte die Gleichstellungsbeauftragte. In der Regel würden bislang etwa bei einer Vergewaltigung wichtige Spuren unmittelbar nach der Tat mithilfe eines Spurensicherungskits der Polizei gesichert. Die Polizei stelle Ärzten diese Ausrüstung im Bedarfsfall zur Verfügung. Das setze aber voraus, dass sich Opfer von Übergriffen an die Polizei wendeten oder zumindest mit einem zeitnahen Kontakt zu den Beamten einverstanden seien. Diese Praxis stoße jedoch dort an Grenzen, wo Frauen jedenfalls zunächst nicht mit der Polizei über einen Übergriff sprechen wollten. Der Vorschlag von Christ-Eisenwinder, der nach ihren Angaben nun am Runden Tisch diskutiert werden soll, sieht so aus: Bei einigen Thüringer Kliniken werden Spurensicherungskits auf Vorrat hinterlegt. Nach einer Vergewaltigung kann sich die betroffene Frau dann dort bald nach der Tat einem Arzt anvertrauen. Dieser sichert dann die Spuren, ohne die Polizei zu informieren.
Die gesicherten Spuren gehen dann auch nicht zur Polizei, sondern werden bei der Thüringer Rechtsmedizin in Jena aufbewahrt. Wenn sich eine Frau Monate oder gar Jahre nach dem Übergriff entscheidet, den Täter an die Polizei oder die Justiz zu melden, entbindet sie die Ärzte von deren Schweigepflicht, und die gesicherten Spuren können dann im Ermittlungsverfahren genutzt werden.
Die Thüringer Polizei registrierte im Jahr 2017 laut Statistik insgesamt 302 Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder anderen Formen von sexuellen Übergriffen. Die Zahl ist infolge einer Gesetzänderung in etwa doppelt so hoch wie die Vergleichszahlen aus den Vorjahren. Die Gleichstellungsbeauftragte rechnet damit, dass es pro Jahr etwa 40 Fälle thüringenweit geben werde, in denen auf Vorrat beschaffte Spurensicherungskits zur vertraulichen Spurensicherung benötigt würden.
In Fällen von häuslicher Gewalt solle der Runde Tisch diskutieren, wie Ärzte dafür sensibilisiert werden können, Verletzungsbilder sehr präzise in medizinischen Akten zu dokumentieren, sagte Christ-Eisenwinder. Dazu könne man etwa Formulierungshilfen verabschieden. Denn die Strafverfolgungspraxis bei häuslicher Gewalt zeige, dass etwa Würgeverletzungen von Ärzten häufig nicht konkret genug erfasst worden seien, um die Täter zu verurteilen.
Die Gleichstellungsbeauftragte rechnet damit, dass sich das Gremium bis Mitte 2019 auf ein konkretes Vorgehen zur vertraulichen Spurensicherung in Thüringen einigen wird. Das Verfahren könne dann ab der zweiten Hälfte des nächsten Jahres angewendet werden. In vielen anderen Bundesländern gebe es entsprechende Hilfsangebote bereits. Ihren Vorschlägen lägen Erfahrungen aus Berlin, Hessen, Niedersachsen und dem Saarland zugrunde. dpa/nd
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