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Gehirnerschütterung wegen ACAB-Rufen?
Er wollte in seinen Schulferien mit Freunden abends ausgehen und landete mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus - nach einem Polizeieinsatz.
Der Jungbusch galt lange Zeit als migrantisch geprägtes Armenviertel mitten in der Innenstadt Mannheims. Doch wie so oft, haben die Studierenden, die Feierwütigen und Künstler, das Viertel für sich entdeckt. Auch ein 17-jähriger Schüler aus Mannheim und seine fünf Freunde* wollten dort am vergangenen Wochenende einen schönen Abend verbringen.
Doch der Samstagabend endete anders als geplant – und zwar mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Nun erhebt die Familie des türkeistämmigen Schülers schwere Vorwürfe: »Polizisten haben ihn grundlos angehalten und dann zu Boden geworfen, obwohl er sich nicht gewehrt hat. Davon hat er eine Gehirnerschütterung davongetragen. Das ist nicht verhältnismäßig.« Der Vorfall sei ein Fall von Racial Profiling. Auf den Rest der Gruppe, Menschen ohne sichtbaren Migrationshintergrund, hätten die Beamten es nicht abgesehen gehabt, obwohl sich alle stets zusammen an dem Abend bewegt haben.
Was war passiert? Der 17-jährige Schüler, der sich sonst im Vorstand der DIDF-Jugend engagiert, der Föderation Demokratischer Arbeitervereine, ist mit seinen fünf Freunden unterwegs, sie sitzen in einer Bar, genießen den Abend. Vor der Tür gibt es eine Schlägerei – es kommen Schaulustige und die Polizei. Diese wird daraufhin von den Umstehendem beschimpft mit »ACAB«, die englische Abkürzung für »Alle Cops sind Bastarde«.
Der 17-Jährige erklärt, dass er sich nur in der Bar befunden habe, als Zuschauer. Er habe nichts gerufen. Doch als er zu einer Freundin geht, die vor der Bar steht, wird er von einem Polizisten angesprochenen: »Wenn du mich noch einmal beleidigst, dann gibt es Schelle‘, hat mir der Beamte gesagt«, erklärt er gegenüber »nd«. »Ich hatte da schon den Eindruck, dass die mich auf dem Kieker haben.« Keiner seiner Freunde, die sich mit ihm bewegt haben, sei derart »angesprochen« worden.
Wenig später greifen Beamte die Gruppe, die die Bar inzwischen verlassen hat, auf. Es ist drei Uhr nachts. Weil der 17-Jährige beginnt wegzurennen, stürzen sich die Beamten auf ihn. »Sie haben sich auf mich geworfen. So schwer, dass ich kurz keine Luft mehr bekommen habe«, schildert der 17-Jährige den Vorfall. Außerdem habe er Tritte in seinem Rücken gespürt. Gewehrt habe er sich nicht. »Ich bin nur gerannt, weil ich dachte, das ist Spaß. Und wir hatten auch etwas Alkohol getrunken.« Laut Aussagen seiner Freunde seien es fünf Beamte gewesen, die ihn zu Boden geworfen haben.
Noch heute, einige Tage später fühle er sich benommen, sei eine Woche wegen einer Gehirnerschütterung krankgeschrieben. Dennoch ist es derzeit nicht so sehr der Schmerz, der ihn umtreibe. Es ist der Schock über die Brutalität der Polizisten und die Sprüche, die er an dem Abend hörte: »Ich wurde als Kanake beschimpft. Auf dem Revier hat einer sinngemäß etwas gesagt wie ‚Damit du lernst, wie man sich hier in Deutschland verhält‘.«
In einem Schreiben des Mannheimer Krankenhauses, das dem »nd« vorliegt, wird dem Schüler am Tag nach dem Vorfall, am Sonntag, eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Zudem liegen dem »nd« Fotos des zerschlissenen T-Shirts des Jugendlichen sowie seiner Verletzungen am Hals und Gesicht vor. Er sei eine Nacht im Krankenhaus behalten worden zur Beobachtung, erklärt die Familie. »Auch jetzt, einige Tage später ist er sehr vergesslich, das passt gar nicht zu ihm«, erzählt ein Familienmitglied.
Auf »nd«-Nachfrage wollte sich ein Sprecher der Polizei Mannheim nicht dazu äußern, ob der Einsatz in der Nacht zum Sonntag angemessen war. Der Junge sei weggelaufen und dann habe man »Zwang angewendet« , sagte ein Sprecher dem »nd«. Auf die Nachfrage, warum es ausrechnet den 17-jährigen Jugendlichen getroffen habe, erklärte die Pressestelle, dass die Beamten ihn eindeutig haben identifizieren können als Person, die zuvor die Beamten beleidigt habe. »Er hat ACAB gerufen und später dann noch Hurensohn«.
Wegrennen sei nicht strafbar, erklärt der auf Strafrecht spezialisierte Anwalt Michael Lippka gegenüber dem »nd«. »Es gibt Beamten allerdings das Recht dem Flüchtigen nachzustellen und ihn unter Umständen auch zu Boden zu werfen«, so Lippa. Allerdings müssten diese bei solch einem tätlichen Einsatz immer die Zweck-Mittel-Relation im Auge behalten. »Ob es sich bei einer Gehirnerschütterung nach Beleidigungsvorwürfen noch um Angemessenheit handelt, kann man jedoch infrage stellen.«
Die Familie des Jungens hat nun einen Antrag auf Strafverfolgung wegen Körperverletzung im Amt gestellt und Dienstbeschwerde eingelegt. Sie sucht nach weiteren Zeugen für den Vorfall Samstagnacht. Auch die Polizei ermittelt weiter gegen den 17-Jährigen wegen Beamtenbeleidigung. Zudem sei routinemäßig ein Verfahren gegen mehrere diensthabende Beamten des Abends eingeleitet worden.
*Der Name des Schülers und der Familie ist dem »nd« bekannt.
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