Boykott des Boykotts

Ruhrtriennale

  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einer Hausaufgabe entließ Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert am Samstag als Moderator Zuhörer und Zwischenrufer der Ruhrtriennale-Diskussion über Kunstfreiheit und die israelkritische Boykott-Kampagne BDS: Man solle sich fragen, »ob wir nicht auch im eigenen Land einen zunehmenden, gelegentlich fanatischen Ehrgeiz beobachten, die jeweils eigene Meinung für die einzig mögliche zu halten.« 90 anstrengende Minuten Diskussion lagen da hinter 400 Besuchern.

»Freedom of Speech/Freiheit der Künste« hatte das vor allem vom Land NRW finanzierte und als Aushängeschild betrachtete Kulturfestival die kürzlich anberaumte Diskussion überschrieben. Anlass war die heftige Debatte um die Einladung der Band Young Fathers, die die BDS-Kampagne unterstützt. Triennale-Intendantin Stefanie Carp hatte die Gruppe erst ein-, dann aus- und schließlich wieder eingeladen. Die Gruppe sagte schließlich ab.

BDS steht für »Boycott, Divestment and Sanctions« (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen). Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält die BDS-Bewegung »in ihren Handlungen und Zielen« für antisemitisch. Carp indessen wiederholt, was sie auch im Landtag sagte: Zum Zeitpunkt der Einladung habe sie davon »noch nie gehört.« Nach der Ausladung habe sie ihr eigenes Statement für falsch gehalten. Kunst solle Diskussion und Widersprüche auszuhalten. Bei keinem der Eingeladenen sehe sie in deren Kunst eine rassistische, antisemitische oder rechtsextreme Äußerung. »Selbstverständlich stelle ich in keiner Sekunde das Existenzrecht Israels in Frage.« Sie habe sich leider »nicht klarer gemacht«, was »da auf einen zukommt«.

Nordrhein-Westfalens Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) betont die Freiheit der Kunst, hatte aber die Wiedereinladung kritisiert: »Selbstverständlich können wir uns kritisch mit der Politik Israels auseinandersetzen. Aber wenn zur Isolierung Israels aufgerufen wird, sind für mich diese Grenzen deutlich überschritten.« Wer sich für BDS engagiere, müsse sich »radikale Positionen«, die es dort gebe, »zurechnen lassen«.

Michael Vesper hatte als Kulturminister das Festival vor 16 Jahren mitgegründet. Jetzt ist er Vorsitzender des Fördervereins. Er warf Carp Ahnungslosigkeit. »Für uns ist klar, Boykott von Kunst und Freiheit von Kunst ist ein Begriffspaar, das nicht zusammenpasst.« Natürlich sei Kunst politisch. Sie dürfe sich aber nicht politisch missbrauchen lassen.

Auch BDS-Befürworter kamen zu Wort, was lautstarken Unmut proisraelischer Zuhörer auslöste. Der US-Komponist Elliott Sharp sagte, er finde BDS wichtig, um auf Ungerechtigkeiten und illegale Aktionen gegen die Palästinenser hinzuweisen. Die belgische Dramaturgin Hildegard De Vuyst sieht den BDS als ein »gewaltfreies Instrument«. Ziel sei es, Israel unter Druck zu setzen, internationales Recht zu befolgen.

Vor der Diskussion hatten laut Polizei etwa 250 proisraelische Demonstranten die Ablösung von Carp als Intendantin gefordert. Die Teilnehmer einer anderen Demonstration unterstützten dagegen dagegen Carp in ihrer Funktion. dpa/nd

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