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Outgesourct und kaputtgespart
Gefängnisskandal in Großbritannien führt zu Kritik an Privatisierungsprojekten
Der Schmutz und die Verwahrlosung sind schockierend: Als Peter Clarke, Chefinspekteur für Gefängnisse, der Anstalt HMP Birmingham Anfang August einen unangemeldeten Besuch abstattete, sah er Blutlachen in den Duschräumen, Rattenkot, Kakerlaken und Hunderte zerbrochene Scheiben. Die Wärter hätten sich zuweilen in ihren Büros eingeschlossen, und illegaler Drogenkonsum sei an der Tagesordnung, schrieb Clarke in seinem Bericht. Die Zustände sind so schlimm, dass das Justizministerium am Montag dem privaten Gefängnisbetreiber G4S die Kontrolle über die Anstalt entzog und die Institution in staatliche Hände nahm - es ist die erste notfallmäßige Verstaatlichung eines Gefängnisses seit die Privatisierung Anfang der 1990er-Jahre begonnen hat.
Die Probleme in HMP Birmingham sind Teil einer größeren Gefängniskrise in Großbritannien, die vor allem zwei Ursachen hat: mangelnde Kapazitäten und Sparmaßnahmen. 92 000 Häftlinge sitzen in britischen Gefängnissen - auf die Bevölkerung gerechnet mehr als in jedem anderen Land Westeuropas; seit 1990 hat sich die Zahl der Insassen verdoppelt. Warnungen, dass die Kapazität der britischen Gefängnisse nicht ausreicht, gibt es seit vielen Jahren: Laut Zahlen der Regierung sind zwei Drittel aller Gefängnisse in England und Wales überfüllt.
Dazu kommen Budgetkürzungen: Seit 2010, als die Sparpolitik begann, ist der Etat des Justizministeriums um 40 Prozent beziehungsweise vier Milliarden Pfund (3,6 Milliarden Euro) pro Jahr geschrumpft; die Zahl der Gefängniswärter ist in dieser Zeitspanne um ein Viertel zurückgegangen. Die Privatisierung von HMP Birmingham im Jahr 2011, als die Sicherheitsfirma G4S einen 15-jährigen Vertrag für die Verwaltung der Institution unterschrieb, war ebenfalls Teil der Sparpolitik.
Angesichts der finanziellen Engpässe und der Überfüllung sind Krawalle, Gewaltverbrechen und eine marode Infrastruktur praktisch programmiert. In den vergangenen Jahren machten die desolaten Zustände in britischen Gefängnissen immer wieder Schlagzeilen. Im Dezember 2016 kam es in HMP Birmingham zur schwersten Gefängnisrevolte im Land seit zwei Jahrzehnten, als die Insassen vier Trakte unter ihre Kontrolle brachten.
Die Probleme beschränken sich nicht auf privat geführte Gefängnisse - von den 123 Haftanstalten in Großbritannien werden 17 von Privatfirmen betrieben -, aber die Vorgänge in Birmingham reihen sich ein in die lange Liste der Skandale, für die Outsourcing-Unternehmen verantwortlich sind. In den vergangenen vierzig Jahren haben britische Regierungen einen zunehmenden Teil öffentlicher Aufgaben an Privatunternehmen ausgelagert. Die Argumentation lautet stets, dass dies billiger und effizienter sei. So werden beispielsweise Asylunterkünfte, Müllabfuhr, Altersheime, Sozialfürsorge und ein wachsender Teil der Gesundheitsversorgung von Privatfirmen verwaltet; manche Schätzungen beziffern den Wert der ausgelagerten Verträge auf rund 100 Milliarden Pfund.
Zwar ermöglichte es dies dem Staat, Geld zu sparen, aber die Arbeit der Privatfirmen ist oft mangelhaft - und zuweilen erschreckend schlampig. Ein Regierungsbericht vom letzten Jahr beispielsweise beschreibt die Lebensbedingungen der 38 000 Asylbewerber als »beschämend«; die Unterkünfte werden unter anderem von den Sicherheitsfirmen G4S und Serco verwaltet. Auch die drei Privatfirmen, die für die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit von Invaliden zuständig sind, halten die Qualitätsstandards der Regierung nicht ein: In den letzten fünf Jahren sind ihre Entscheide in 170 000 Fällen angefochten worden - fast zwei Drittel der Berufungen waren erfolgreich. Und vor zwei Monaten übte ein Regierungsausschuss scharfe Kritik an privatisierten Bewährungsdiensten: Manche der Privatunternehmen, die Strafentlassene begleiten, betreuen ihre Klienten lediglich per Telefon, wobei manche Bewährungshelfer für bis zu 150 Menschen zuständig sind.
Der jüngste Skandal um HMP Birmingham wird die Rufe nach einer Reform des Outsourcing-Systems verstärken. Schattenjustizminister Richard Burgon von der Labour-Partei fordert etwa einen kompletten Stopp der Privatisierung im Justizsystem.
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