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Staatsanwaltschaft gegen Salvini

Gegen Italiens Innenminister wird in der Causa »Diciotti« nun wegen Menschenraubs ermittelt

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war Luigi Patronaggio, dem Staatsanwalt von Agrigento, zu verdanken, dass in der Nacht zum Donnerstag 27 Minderjährige das Küstenwachschiff »Diciotti« im Hafen von Catania verlassen durften. Seit Montagabend liegt das Boot an der Kaimauer. 177 Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika befanden sich seit Tagen an Bord. »Diciotti« bekam seitens der italienischen Regierung keine Anlandeerlaubnis. Speziell Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini sprach sich gegen eine Aufnahme der Flüchtlinge aus. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft von Agrigento in Sachen »Menschenraub und illegale Haftnahme gegen Unbekannt«.

»Ich bin kein Unbekannter, ich heiße Matteo Salvini, bin Sekretär der Lega, Senator und Innenminister der Republik«, erklärte der sich von der Anklage angesprochene Vizepremier. Er habe kein Problem mit den Ermittlungen und werde in jedem Fall auf seiner harten Linie beharren, so Salvini. An Bord der »Diciotti« befänden sich ohnehin nur »illegale Einwanderer«. Man stehe bereits mit Libyen über eine Rückführung in Verhandlungen. Sollte er sich nicht durchsetzen können, drohte Salvini mit seinem Rücktritt aus der Regierung und damit faktisch mit der Aufkündigung der ohnehin fragilen Fraktion.

Der Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, zeigt sich keinesfalls einig mit der Lega in der Flüchtlingsfrage. Sowohl Infrastrukturminister Danilo Toninelli - zuständig für Italiens Häfen - als auch Parlamentspräsident Roberto Fico sprachen sich für humanitäre Maßnahmen und eine Aufnahme der Flüchtlinge aus. Salvinis Antwort darauf lautete: »Das ist Ficos persönliches Problem und seine Meinung.«

Der Fall sei eine »Schande für Italien«, erklärte der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei (PD) Maurizio Martina. Die PD sprach von einer humanitären Pflicht, den Flüchtlingen zu helfen. Es sei nicht das erste Mal, dass Salvini das Anlanden der »Diciotti« in italienischen Häfen verweigerte. Bereits vor Wochen gab es einen Präzedenzfall. Nun, so die Opposition, sei es an Staatspräsident Sergio Mattarella, erneut ein Machtwort zu sprechen.

Salvinis Antwort darauf lautete: »Ich fürchte keine Intervention des Präsidenten, habe ein ruhiges Gewissen. Meine Aufgabe ist es, die Grenzen Italiens und die Italiener zu schützen.«

Auch Ex-Premier Paolo Gentiloni und die vorherige Parlamentspräsidentin und ehemalige Hohe Flüchtlingskommissarin der UN, Laura Boldrini, sprachen sich gegen den Kurs Salvinis aus. Boldrini kündigte für diesen Freitag einen Besuch der Flüchtlinge an Bord des Küstenwachschiffes an. Der Chef der Linksbewegung Possibile, Giuseppe Civati, forderte den Rücktritt des Innenministers. Schriftsteller Roberto Saviano - inzwischen Salvinis Intimfeind Nummer eins - nannte die neuerliche Aktion des Innenministers eine »weitere Dummheit«.

Seitens libyscher Offizieller wird eine Rücknahme der Flüchtlinge abgelehnt. »Libyen wird keine Flüchtlinge, die aus Nordafrika nach Europa aufgebrochen sind, aufnehmen. Ein Überführen von Flüchtlingen seitens italienischer Behörden nach Libyen wäre ein ungerechter und illegaler Akt«, erklärte der Außenminister der Regierung der nationalen Einheit, Mohammed Sayala. Der Minister betonte, dass Migration in der Verantwortung der Verursacherstaaten Afrikas liege, darüber hinaus jedoch die gesamte Weltgemeinschaft sich des weltweiten Flüchtlingsphänomens anzunehmen habe.

Die 150 an Bord der »Diciotti« verbliebenen Flüchtlinge bedürfen indes dringend humanitärer Hilfe. Die hygienischen Zustände sind inzwischen katastrophal, die sich meist an Deck aufhaltenden Menschen sind Hitze, aber auch Regen und Unwettern ausgesetzt, die zur Zeit in der Region toben.

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