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Statt Gefängnis nur Geldstrafe für den V-Mann
Wie der Geheimdienstspitzel Carsten Szczepanski alias »Piatto« im Sommer 2000 glimpflich davonkam
Es sind bloß Geldstrafen für illegalen Waffenbesitz verhängt worden. Wären Polizei und Justiz schon damals auf ein Terrornetzwerk gestoßen, wenn sie hartnäckiger im rechten Milieu nachgeforscht hätten? Wären die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) so zu verhindern gewesen?
Rückblick: Carsten Szczepanski muss sich eigentlich in Acht nehmen. Am 9. Mai 1992 war er dabei, als Neonazis den Flüchtling Steve Erenhi brutal verprügelten und in den Scharmützelsee warfen, wo der schwer verletzte Nigerianer beinahe ertrunken wäre. Seine Strafe dafür hat Szczepanski zwar abgesessen. Doch er steht im Juli des Jahres 2000 noch unter Bewährungsauflagen. Wenn er sich etwas zu Schulden kommen lässt, könnte er schnell wieder drin sein im Gefängnis.
Staatsanwalt Peter Petersen hält ihn damals für einen »Bewährungsversager«. Petersen erinnert sich heute noch recht plastisch an den Fall. Am Donnerstag sagt er im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags aus. Das Telefon von Uwe Menzel war abgehört worden. Der fettleibige Sänger der Rechtsrockband »Proissenheads« ist besoffen und kaum zu verstehen. Aber eins ist dem Geschwafel zu entnehmen: Bei einer geplanten Demonstration der linken Hausbesetzerszene am 9. Juli 2000 soll ein Blutbad angerichtet werden.
Zwei Tage vorher erfährt die Staatsanwaltschaft davon und ist alarmiert. Menzels Wohnung in Potsdam wird durchsucht. Die Beamten finden eine Pistole vom Typ Česká 52 (mit einer Česká 52 werden später Opfer des NSU erschossen) und ein Kleinkalibergewehr. Menzel kann natürlich keine Waffenscheine vorweisen. Er behauptet, Szczepanski habe ihm die Pistole besorgt. Der bestreitet das und gibt an, den Kauf der Pistole nur vermittelt zu haben. In diesen Tagen wird durch das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« enthüllt, dass Szczepanski alias »Piatto« ein V-Mann des Verfassungsschutzes ist. Seine Verdienste als Spitzel werden dann zu seiner Verteidigung herausgestrichen. Das Verfahren gegen ihn soll eingestellt werden. Aber Staatsanwalt Petersen lehnt das ab. Es gibt eine Geldstrafe. Die bezahlt dann der Verfassungsschutz, wie man inzwischen weiß.
Um den möglicherweise geplanten Anschlag auf die Hausbesetzerdemonstration kümmert sich die Justiz nicht weiter. Menzel behauptet, er habe sich bedroht gefühlt und das Kleinkalibergewehr zu seiner Verteidigung bereits 1998 für 1000 D-Mark von einem gewissen Raul gekauft. Das ist glatt gelogen. Er hat es erst kurz zuvor bei einem Rechtsrockkonzert in Mecklenburg-Vorpommern erhalten.
»Da ist vielleicht nicht intensiv genug ermittelt worden«, räumt Staatsanwalt Petersen im Rückblick auf den gesamten Fall ein. Dass Szczepanski so glimpflich davongekommen ist, darauf soll der Verfassungsschutz aber keinen Einfluss gehabt haben. Der Geheimdienst habe sich in dieser Sache nicht bei ihm gemeldet, versichert Petersen. »Das wäre auch sinnlos gewesen. Wir lassen uns vom Verfassungsschutz nicht sagen, was wir zu machen haben.«
Wenig ergibt am Donnerstag die Befragung eines Zeugen, der von 1999 bis 2001 die Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt leitete. Interessant ist die Biografie des Mannes, die er ausführlich schildert. 400-Meter-Hürdenläufer war er in seiner Jugend und sollte bei den Olympischen Spielen 1972 in München für die DDR an den Start gehen, traute sich den dafür noch notwendigen Leistungssprung jedoch nicht mehr zu und ging zur Volkspolizei, befasste sich im DDR-Innenministerium bis zum bitteren Ende hauptsächlich mit der Beschaffung von Kriminaltechnik. Die detaillierte Schilderung weckte bei dem Landtagsabgeordneten Björn Lüttmann (SPD) die Hoffnung, der Zeuge könne einiges über den V-Mann »Piatto« erzählen. Aber Fehlanzeige. »Der Name Carsten Szczepanski spielt in meiner Erinnerung keine Rolle.«
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