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Zwischen Feuer und Eis

Die deutschen Fußballerinnen erwartet auf Island ein harter Kampf um das WM-Ticket

  • Frank Hellmann, Reykjavik
  • Lesedauer: 4 Min.

Keine Frage, auf einer Insel wie Island kann sich einer wie Horst Hrubesch doch nur wohlfühlen. Reiche Fischgründe, raues Klima, herzliche Menschen. Leider sind die Lizenzgebühren für die besten Angelreviere ins Astronomische gestiegen - dafür gibt es kühle Schauerböen oder die Gischt der meisten Geysire noch umsonst. Gäste spüren hier schnell den Zusammenhalt einer Gesellschaft, die gelernt hat, dass man nur miteinander in dem Land aus Feuer und Eis bestehen konnte. Das alles passt zum Interimstrainer der deutschen Fußballerinnen wie die Faust aufs Auge.

Wer seinen Schädel bei Wind und Wetter nicht nur in Bananenflanken von Manfred Kaltz gehalten hat, sondern auch beim Dorschangeln vom Boot und an den Küsten (und darüber ein Buch verfasst hat), der kann gar nicht anders, als vor dem WM-Qualifikationsspiel am heutigen Sonnabend gegen Island den wetterfesten Einpeitscher zu spielen. »Es geht darum dieses Spiel zu gewinnen, und das werden wir tun!« Ungeachtet von äußeren Bedingungen die mit dem deutschen Supersommer ungefähr so viel gemein haben wie Hrubeschs’ Erscheinungsbild mit dem Outfit von Joachim Löw.

Der 67-Jährige lebt seinen Spielerinnen unerschütterlichen Optimismus vor. »Wir haben schließlich alle ein Ziel. Wir wollen zur Weltmeisterschaft.« Dafür geht der Mann für »seine Mädels«, wie er sie gerne nennt, nicht nur kumpelhaft, sondern auch gewissenhaft voran. Im Gegensatz zum taktischen und personellen Schlingerkurs unter Bundestrainerin Steffi Jones, der mit Verspätung die 2:3-Heimpleite gegen Island zum Verhängnis wurde, sind die Vorgaben eindeutig.

»Horst Hrubesch hat die Mannschaft längst aus der Negativspirale rausgeholt«, hat seine neue Co-Trainerin Britta Carlson bemerkt, die bis zur vergangenen Saison noch beim VfL Wolfsburg arbeitete und die Leistungsträgerinnen wie Almuth Schult, Lena Goeßling oder Alexandra Popp bestens kennt. Sie sind jetzt die Achse, weil mit Babett Peter und Dzsenifer Marozsan verletzungsbedingt zwei Stützen weggebrochen sind. Doch wie sagt die ehemalige Nationalspielerin und gebürtige Kielerin Carlson, die bald an der Seite der künftigen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg die Zukunft gestalten wird: »Wir hatten ohnehin nie vor, die Verantwortung einer Person oder zwei Schultern aufzuladen.«

Reykjavik wird zum wichtigsten Wegweiser für den deutschen Frauenfußball in der jüngeren Vergangenheit. Mit einem Sieg würden die DFB-Frauen die Tabellenführung übernehmen, könnten frohen Mutes am Sonntagabend weiter auf die Färöer fliegen, um dort am Dienstag den Haken an die Direktqualifikation für die WM 2019 in Frankreich zu machen.

Denselben Plan verfolgen dummerweise auch Islands Spielführerin Sara Björk Gunnarsdottir, die ebenfalls beim VfL Wolfsburg spielt, und ihre Mitstreiterinnen, die zum Abschluss zuhause gegen Tschechien antreten. Heute, am Sonnabend, aber strömen erstmals 15 000 Landsleute ins Nationalstadion Laugardalsvöllur. Sie werden in geübter Manier die Hände über den Kopf führen, dann immer schneller klatschen und ihr berühmtes »Huh! Huh! Huh!« rufen. Noch nie war die zugige Spielstätte im Stadtteil Laugardalur für ein Spiel der Frauen ausverkauft, obwohl sie in Fußballeuropa schon viel früher konkurrenzfähig waren als die Männer. Nun schwappt die mit der EM 2016 explodierte Begeisterung der 340 000 Einwohner über beide Geschlechter.

Sollte der zweifache Weltmeister Deutschland auf einer Insel, deren Landfläche zu fast der Hälfte aus Flüssen, Seen und Lavafeldern besteht, Schiffbruch erleiden, hätte das historischen Charakter. Denn die Playoff-Spiele für die vier besten Gruppenzweiten sind tückisch. Das Verpassen der WM wäre für die Olympiasiegerinnen gleichbedeutend mit der Nichtzulassung für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Und es wäre der bittere Beweis, dass auch der weibliche Bereich auf Vereins- und Nationalmannschaftsebene endgültig seine Vormachtstellung verspielt hat.

Angst, hat Hrubesch gesagt, mache in dieser Situation keinen Sinn. Der DFB-Sportdirektor hat vor allem den Chancenwucher als Ursache für die Hinspielniederlage ausgemacht. Doch in Wiesbaden hatte die DFB-Auswahl damals insgesamt keine Antwort auf die kompakte, körperbetonte Spielweise der Gegnerinnen. Carlson benennt die Haltung, um der »überragenden Mentalität« der Isländerinnen beizukommen: »Wir sind fußballerisch die bessere Mannschaft. Und auch wenn es windig ist oder regnet, darf uns das nicht abhalten.«

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