- Politik
- Seenotrettung im Mittelmeer
»Seebrücke«-Demos mit Tausenden Teilnehmern
Hamburger Bischöfin Fehrs: »Wo, wenn nicht in Hamburg, wissen wir um die Gefahren des Meeres?«
Hamburg. Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in Hamburg an einer Kundgebung des Aktionsbündnisses »Seebrücke« teilgenommen. Sie forderten eine unbehinderte Seenotrettung sowie sichere Fluchtwege und protestierten gegen die Kriminalisierung der Fluchthelfer. Die Demonstration zwischen Landungsbrücken und Rathausmarkt war Teil einer bundesweiten Reihe von Veranstaltungen. Bereits am Samstag gab es in Flensburg eine Kundgebung unter dem Motto »Seebrücke statt Massengrab«. In Duisburg kamen ebenfalls am Samstag rund 800 Menschen zusammen.
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sagte zum Auftakt, die Rettung von Menschen aus Seenot sei »ein Grundgebot der christlichen Seefahrt«. Nirgendwo dürfe unwidersprochen hingenommen werden, wenn Menschenwürde verletzt wird, wie jetzt zum Beispiel in Chemnitz. »Wir dürfen nicht dulden, dass man Flüchtlinge auf See ertrinken lässt und auch nicht, dass sie angepöbelt und zusammengeschlagen werden«, sagte sie.
»Wo, wenn nicht in Hamburg, wissen wir um die Gefahren des Meeres?«, fragte Fehrs. Seeleute könnten eine Menge erzählen von Unwettern und havarierten Schiffen, von Angst und vom »nassen Tod«. Es sei ein absolutes Tabu für jeden Seemann, achtlos an Schiffbrüchigen vorbeizufahren. »Wer hilflos in den Wellen treibt, wird gerettet, Punktum«, sagte die Bischöfin.
Dennoch spiele sich im Mittelmeer gerade eine humanitäre Katastrophe ab. Nötig sei daher eine politische Lösung, damit alle europäischen Länder ihrer Verantwortung nachkommen und Flüchtlinge aufnehmen. Dies gelinge sicher nicht, wenn jedes Land sagt: Hauptsache ich nicht! »Das setzt eine todbringende Spirale in Gang«, sagte Fehrs. Darum sei es wichtig, in ganz Deutschland und in Hamburg ein Zeichen zu setzen für die Menschlichkeit. »Und damit wir konkret Leben retten - denn das ist es was zählt, auf See wie an Land.«
Auf Plakaten und Transparenten standen Parolen wie »Seebrücke statt Seehofer«, »Kein Adler braucht diesen Horst« oder »Menschenrechte statt rechte Menschen«. Auf Twitter schrieb jemand: »Ich kann nicht glauben, dass ich dagegen protestieren muss, Menschen ertrinken zu lassen.«
Organisiert wurde der Marsch von Organisationen aus verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft. Auch Diakonie, Caritas und Der Paritätische unterstützten die Aktion. Die Demonstration führte am Nachmittag am Millerntorstadion des FC St. Pauli vorbei, wo sich Fußballfans nach der 3:5-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln dem Zug anschlossen. Laut Angaben der Organisatoren kamen in Hamburg dabei 16.000 Menschen zusammen.
Die Abschlusskundgebung fand auf dem Rathausmarkt statt. Hauptredner war Kapitän Claus-Peter Reisch. Er ist gegenwärtig in Malta angeklagt, nachdem er mit dem Schiff »Lifeline« 234 Menschen aus Seenot gerettet hatte.
In Berlin zog ein Demonstrationszug unter dem Motto »Berlin zum sicheren Hafen für Flüchtlinge« vom Molkenmarkt am Roten Rathaus zum Brandenburger Tor. Die Veranstalter sprachen von 2500 Teilnehmern. Die Polizei wollte die Zahl nicht kommentieren. »Die Demo verlief vollkommen friedlich, es gab keinerlei Störungen«, sagte ein Sprecher der Organisation Seebrücke.
Die Demonstrationen waren Teil der europaweiten Protestwoche »European protests - build bridges not walls« (Europäische Proteste: baut Brücken, keine Mauern). Wenn die europäischen Regierungen in der Flüchtlingsfrage versagten, liege es an den Städten zu handeln, schrieb Seebrücke im Internet. Dazu hatte auch der Schauspieler Daniel Brühl aufgerufen. »Die Menschen, die Seenotrettung leisten sind engagierte, mutige Menschen, die unsere Unterstützung verdienen«, sagte Brühl in einem Video für Seebrücke.
In den vergangenen Wochen und Monaten war es in fast 100 Städten in Deutschland zu Seebrücken-Protesten gekommen. In Berlin hatten Aktivisten dabei auch eine Brücke blockiert. Sie fordern vom Berliner Senat, aus Seenot gerettete Menschen freiwillig aufzunehmen und dies »offensiv anzubieten«. Es müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, um »Visa und Gruppen-Bleiberechte für Gerettete auszustellen.«Agenturen/nd
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