- Berlin
- Großbeerenstraße 17a
Sofa, Schutt und Schonfrist
Eigentümer gewährt Besetzern Aufschiebung der Räumung / Grüne: »Sind auf gutem Weg«
In der Mitte des Wohnzimmers liegt ein Brettspiel auf dem Boden. Drumherum liegen Karten, Verpackung und Spielsteine. »Es geht darum, Häuser zu besetzen und sich mit den Cops auseinander zu setzen«, sagt Steffi mit Blick auf das Spiel. Sie grinst über das ganze Gesicht. Steffi ist eine der Aktivist*innen, die sich an diesem Dienstagmorgen in der besetzten Wohnung in der Großbeerenstraße 17a aufhalten. »Wir sind noch dabei, die Regeln zu verstehen«, gesteht Marco, der ebenfalls anwesend ist. Die gesamte Wohnung ist eine Baustelle. Fotos vom Innenraum sind nicht erlaubt, die Aktivist*innen wollen nur ihre Vornamen nennen. In einer Ecke des Zimmers lagern einige Lebensmittel auf einem Stuhl. Im Nachbarraum liegen Decken und Isomatten. Vor dem herunter gekommenen Haus steht derweil ein weiterer Aktivist. Er ist ins Gespräch mit Anwohner*innen und einem Journalisten der französischen Zeitung »Le Figaro« vertieft.
Etwa 50 bis 60 Menschen hatten am vergangenen Samstag nach Polizeiangaben das Haus in der Großbeerenstraße in Kreuzberg besetzt. Sie protestierten damit angesichts der Wohnungsnot in Berlin gegen den Leerstand. Gemeinsam mit der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger konnte die sogenannte Hausprojektgruppe, wie sich die Aktivist*innen selbst bezeichnen, zunächst eine einwöchige Räumungsfrist aushandeln. Bei einem zweiten Gespräch am Montag mit einem Vertreter des Hauseigentümers, der »Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh«, mit den Besetzer*innen und Schmidberger sei dann vereinbart worden, die Räumungsfrist bis zum 14. Oktober zu verlängern, heißt es. In dieser Zeit sollen nun Verhandlungen zwischen der Hausprojektgruppe und dem Wohnungsunternehmen im Besitz mehrere katholischer Bistümer zur Raumnutzung stattfinden. In einem ersten Nutzungsvertrag war den Aktivist*innen zugesichert worden, die Räumlichkeiten einer leerstehenden Wohnung im ersten Stock nutzen zu können. Bis zu fünf Menschen dürfen demnach die Räume vorerst bewohnen. In den kommenden Tagen sollen Schlüssel für die Zimmer und die Wohnungstür ausgehändigt werden. »Bis es soweit ist, muss immer einer in der Wohnung bleiben«, sagt Marco.
Unter den Fenstern zur Straßenseite sind einige Fußbreit sämtliche Holzdielen heraus gerissen worden, vermutlich wegen Schimmelbefall. In der rund 100 Quadratmeter großen Wohnung gibt es keine funktionierende Küche, nur einen Schuttberg in einer Ecke sowie ein großes Loch in der gegenüberliegenden Wand, wo wohl einst ein Gasherd stand. In der Toilette fehlt die komplette Decke, immerhin funktioniert die Spülung.
»Die Unterstützung im Kiez ist riesig«, sagen die beiden. Essen, Geschirr, Stühle, sogar ein Sofa und zwei Kühlschränke hätten sie in den vergangenen Tagen seit der Besetzung geschenkt bekommen. Immer wieder kämen Leute vorbei und wollten sich informieren. Demnächst soll es noch einen WLAN-Zugang von einigen Nachbar*innen aus dem Haus geben. »Einen Tisch und eine Wanne zum Geschirrspülen - oder gleich eine Spülmaschine - bräuchten wir noch«, sagt Steffi.
Bis auf eine Ausnahme habe es seither nur positives Feedback aus der Nachbar*innenschaft gegeben. Kein Wunder, zumal das Haus bereits seit Jahren größtenteils leersteht. Lediglich zwei der Wohnungen seien noch bewohnt. Laut Schmidberger war der Hauseigentümer bereits seit längerer Zeit mit dem Bezirk wegen eines möglichen Umbaus des Hauses im Gespräch. Ein Teil des Hauses soll demnach in Wohnungen für obdachlose Frauen umgewandelt werden. Im ehemaligen Friseursalon im Erdgeschoss soll zudem eine Beratungsstelle für wohnungslose Frauen eingerichtet werden. Auch der Keller soll ausgebaut werden, beispielsweise mit einer Wärmestube und Duschen. »Es ist sehr erfreulich, dass sich der Eigentümer derart kooperativ und gesprächsbereit zeigt und bereit ist, Verhandlungen in Ruhe zu ermöglichen«, sagt Schmidberger. Insgesamt beschreibt sie das Treffen zwischen den Aktivist*innen und Wohnungsgesellschaft am Montag als offen und konstruktiv. »Der Eigentümer hat in Aussicht gestellt, dass er durchaus bereit wäre, auf die Bedarfe des Kiezes einzugehen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.«
Für Marco und Steffi geht es nun darum sich die Solidarität im umliegenden Kiez zu sichern. »Nur wenn die Leute hier hinter uns stehen, kann das Projekt erfolgreich werden«, glaubt Marco.
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