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Die Null soll stehen
Während die Bundeswehr weiter aufgerüstet wird, fehlen in anderen Bereichen Investitionen
Für den Bundesfinanzminister läuft es zurzeit sehr gut. Die gute Einnahmesituation des Staates ermöglicht Spielräume bei Investitionen. Doch der sozialdemokratische Ressortchef Olaf Scholz präsentierte sich zum Beginn der Haushaltswoche im Bundestag zurückhaltend. Der Hamburger, der ohnehin nicht für euphorische Auftritte bekannt ist, erinnerte am Dienstagmorgen an schwere Zeiten, die schon einige Jahre zurückliegen. Demnächst jährt sich die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers und damit der Auftakt zur Finanzkrise zum zehnten Mal.
»Ich habe zu dieser Zeit als Minister im Bundeskabinett gearbeitet«, erklärte Scholz. Damals habe in Deutschland unter anderem die Kurzarbeit geholfen, die Folgen der Krise abzufedern. In anderen Ländern sah es schlechter aus. Es folgte die sogenannte Eurokrise, die insbesondere die südeuropäischen Länder und Irland schwer traf. Zwar seien die Aussichten für die deutsche Wirtschaft nun bestens, sagte Scholz. Zugleich warnte er: »Auch in den Jahren 2008 und 2009 konnten wir die Krise nicht voraussehen.« Nun gelte es, im Fall der Fälle handlungsfähig zu sein.
Die Meinungen, ob die Bundesregierung gut auf eine mögliche erneute Krise vorbereitet ist, gehen jedoch auseinander. Während Scholz betonte, dass es nun auf der Ebene der Europäischen Union unter anderem den Bankenabwicklungsmechanismus sowie den europäischen Stabilitätsmechanismus gebe, wies die LINKE-Haushaltspolitikerin Gesine Lötzsch auf bestehende strukturelle Probleme hin. Aus ihrer Sicht wird die Bundesrepublik zu Recht für ihre massiven Exportüberschüsse weltweit kritisiert. Es werde nun insbesondere von den europäischen Nachbarn erwartet, dass mehr im Inland investiert werde und anständige Löhne gezahlt werden. »Wir haben den größten Niedriglohnsektor Europas«, monierte Lötzsch. Dadurch würden weltweit Arbeitsplätze vernichtet.
Strittig war in der Debatte auch die Frage, ob die Koalition genügend und in die richtigen Bereiche investiert. Scholz lobte, dass die Bundeswehr und Entwicklungshilfe nun so aufgestellt werden, dass sie »die internationalen Herausforderungen erfüllen können«. Dem Etatplan für das kommende Jahr zufolge darf der für Entwicklung zuständige Minister Gerd Müller (CSU) 9,75 Milliarden Euro ausgeben. Dieses Jahr waren es 9,44 Milliarden Euro. Über deutlich größere Summen verfügt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der Militäretat soll um knapp vier auf 42,9 Milliarden Euro steigen.
»Mehr Aufrüstung vermindert die Sicherheit in unserem Land«, sagte Lötzsch. Statt in Waffen sollte unter anderem mehr in Schulen, Krankenhäuser, Busse und Bahnen investiert werden. Voraussetzung dafür sei aber auch ein gerechtes Steuersystem. Die Bundesregierung aus Union und SPD lehnt höhere Steuern für Vermögende und Spitzenverdiener bislang ab.
Der Etatentwurf sieht für das kommende Jahr insgesamt Ausgaben von 356,8 Milliarden Euro vor. Das sind 13,2 Milliarden Euro mehr, als für 2018 eingeplant sind. Neue Schulden soll es weiter nicht geben. Damit setzt Scholz die Politik der »schwarzen Null« seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) fort.
Auch der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler warf der Regierung vor, zu wenig gegen bestehende Probleme zu tun. Er bemängelte die giftige Luft in den Städten und die Folgen der Klimakrise. »Diese sind im zurückliegenden Sommer mit Dürre und Hitze in Deutschland spürbar geworden«, erklärte Kindler. Er und seine Fraktion verlangen den Abbau von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen. Auch auf die explodierenden Mieten, Kinderarmut und die Angst vieler Menschen vor Armut im Alter liefert die Bundesregierung nach Ansicht der Grünen keine überzeugenden Antworten.
Der FDP sind die Ausgaben der Koalition in dem Bereich Arbeit und Soziales ein Dorn im Auge. Der Haushalt im kommenden Jahr sieht für das Ressort von Hubertus Heil (SPD) Ausgaben in Höhe von 144,21 Milliarden Euro vor. Nach Berechnungen der FDP will die Bundesregierung 70 Prozent der Mittel für Arbeit und Soziales ausgeben und weitere 15 Prozent für das Militär. »Eigentlich verfrühstücken Sie die Zukunft, indem Sie 85 Prozent für innere Sicherheit nicht geben, für Bildung nicht geben, für Zukunft jeglicher Art nicht geben, für Kinder nicht geben«, sagte der FDP-Politiker Otto Fricke. Der Bundestag berate in dieser Woche nur noch über die »restlichen Fitzelchen von 15 Prozent«. Fricke forderte, »staatliche Subventionen« abzubauen.
Beim Sozialabbau ist eigentlich die Union der natürliche Partner der FDP. Weil die beiden Parteien aber keine gemeinsame Mehrheit haben und die Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition geplatzt waren, regieren die Konservativen seit einigen Monaten erneut mit der SPD. Während der Debatte wurde einmal mehr deutlich, dass es zwischen den Koalitionspartnern zuweilen große Meinungsverschiedenheiten gibt. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg empörte sich über die Pläne von Scholz, der das Rentenniveau auch über 2025 hinaus auf dem für viele Menschen eher mageren Niveau von 48 Prozent stabilisieren will.
Selbst dieses minimale Versprechen hielt Rehberg für »unbezahlbar und ungerecht«. Bereits vor der Bundestagsdebatte zitierte ihn die »Rheinische Post« mit den Worten, dass die Vorhaben des Finanzministers »voll zu Lasten der jüngeren Generationen« gehen würden. Der Zuschuss zur Rentenversicherung würde dann jedes Jahr um viele Milliarden weiter steigen, meinte Rehberg.
Derweil fielen Politiker der AfD mit bizarren Auftritten auf. Zunächst verlangte die Fraktion mehr Zeit für eine Debatte über den Etat des Präsidialamts. Die rechte Partei war wütend darüber, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das große Rockkonzert in Chemnitz gegen Fremdenhass unterstützt hatte. »Damit hat der Bundespräsident seine Neutralitätspflicht verletzt«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann.
Auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte Steinmeier attackiert und sich über die Teilnahme der antifaschistischen Punkband Feine Sahne Fischfilet echauffiert. Trotz dieser Gemeinsamkeiten erhielt die AfD weder von der CDU noch von anderen Fraktionen Unterstützung für ihren Antrag.
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