Migration und ihre vielen Gesichter

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte stellt neues Bildungsangebot für Schüler vor

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wer spricht noch eine Sprache außer Deutsch«, fragte die Ausstellungsführerin in die Runde. »Ich spreche Arabisch«, sagt eines der Kinder. »Und ich Russisch«, ein anderes. Auf einer Tafel am Eingang stand die Frage: Wo komme ich her? »Aus Ghana«, schrieb jemand daneben. »Aus Inguschetien«, ein anderer. Auch »Aus Krefeld«. Dass das Thema Einwanderung im Land Brandenburg durchaus nicht nur ein vorgestriges ist, hätte nicht schlagender bewiesen werden können, als die Schüler der Schwedter Astrid-Lindgren-Schule am Dienstag als erste durch die Stationen des neue Schülerprogramms im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam geführt wurden.

Zuvor wurden sie von Kulturministerin Martina Münch (SPD) freundlich als »Premierengäste« willkommen geheißen. »Was sind denn Migranten?«, wollte sie von den Kindern wissen. »Ausländer« lautete die Antwort prompt und direkt und warf einmal mehr die Frage auf, ob die heutige Häufung von Fremdworten in der politischen eigentlich sinnvoll ist. Geduldig erläuterte die Ministerin die Herkunft des Begriffs aus dem lateinischen Wort für Wanderung. Eingewandert sei man nach Brandenburg schon seit langem und immer mal wieder, erklärte sie.

Bundesweit einmalig sei es, eine Ausstellungszone im Museum nur für Schulklassen zu reservieren. Es handelt sich dabei um ein fensterloses Gewölbe mit spärlichen Lampen, die auf eine spärliche, eher karge Ausstellung gerichtet sind. Vielleicht hätte man - da sich das Projekt an Schüler wendet - mehr Aufwand treiben, die Ausstellung farbenfroher und vielfältiger gestalten können.

Nach dem Besuch bleiben Fragen. Ob die Slawen, die auf dem Gebiet des heutigen Brandenburg siedelten, vor dem Hintergrund der heutigen Debatte tatsächlich als die ersten Einwanderer bezeichnet werden sollten, steht dahin. Die sie verdrängenden Deutschen waren jedenfalls nicht einfach Migranten, sondern Eroberer, die sich auf Kosten der früheren Siedler gewaltsam das holten, was später »Lebensraum« genannt wird. Auch ist das heutige Territorium Brandenburgs nur sehr bedingt jenes Gebiet, das als »Mark Brandenburg« einst von Albrecht I. (um 1100 - 1170), genannt Albrecht der Bär, gegründet wurde oder was noch unter den Königen als »Kurmark« galt. Solche Feinheiten berücksichtigt die Ausstellung nicht - vielleicht wäre aber Schülern von der 4. bis zur 13. Klasse - an die wendet sie sich - doch mehr zuzutrauen.

Schon hätten sich 95 Schulklassen für einen Besuch angemeldet, sagte Kuratorin Ruth Slenczka. Die Kinder erfahren: In den religiösen Auseinandersetzungen und Verfolgungen des Mittelalters kamen Juden und Christen nach Brandenburg. Am bekanntesten sind die Hugenotten,aus Frankreich vertriebene Protestanten. »Vor 200 Jahren sprachen in Potsdam alle Französisch, zumindest ein bisschen«, sagt die Kuratorin. Das sei leider verloren gegangen, bedauerte sie. Herkunftsländer dieser Art von Einwanderung waren daneben Württemberg, Sachsen, Österreich, Böhmen und Polen. Später wurden auch Handwerker aus Frankreich und den Niederlanden angeworben. Der Zar schenkte dem Preußenkönig nach dem Sie in den Befreiungskriegen eine komplette russische Musikkapelle, der in Potsdam eine in russischer Holzbauweise errichtete Kolonie (Alexandrowka) überlassen wurde.

Ministerin Münch erklärte den Schülern, dass Wanderungsbewegungen auch innerhalb eines Landes geschehen können. Sie selbst stamme aus den alten Bundesländern, geboren in Baden-Württemberg sei sie vor vielen Jahren nach Brandenburg gezogen. Auch alle übrigen im hochkarätig besetzten Podium offenbarten sich diesbezüglich: »Ich stamme aus Hessen.« »Ich von der deutsch-französischen Grenze.« Eine Person, die ihre Wurzeln in Ostdeutschland hat, fand sich dort nicht. Tatsächlich sind nach 1990 auch umgekehrt Millionen Ostdeutsche in die alten Bundesländer »eingewandert«.

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