Kaum jemand guckt hin

Gewerkschaft NGG kritisiert mangelnde Kontrolldichte des Arbeitszeitgesetzes

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Mails nach Feierabend oder Überstunden durch schlechte Planung: die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) warnt vor immer weiter entgrenzten Arbeitszeiten. Trotz Arbeitszeitgesetz nehme die Arbeit an Wochenenden oder Nachtarbeit zu, auch unbezahlte Überstunden steigen. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet inzwischen am Wochenende, im Gastgewerbe sind es 86 Prozent. Aber auch im Einzelhandel ist die Wochenendarbeit durch die ausgeweiteten Öffnungszeiten gestiegen. Darauf weist eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts für Systemforschung aus Hannover hin. »Damit wird die Intention des Arbeitszeitgesetzes konterkariert«, erklärte Institutsvorstand Matthias Günther am Mittwoch in Berlin. Besonders erschreckend für ihn: Die Kontrollen nehmen ab.

Laut einer Anfrage der LINKEN-Abgeordneten Susanne Ferschl gab es im vergangenen Jahr bundesweit rund 15 200 Kontrollen zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Das sind 21 Prozent weniger als 2016 und 41 Prozent weniger als noch 2010. Die Kontrolldichte ist in den zuständigen Bundesländern sehr unterschiedlich, laut Antwort der Bundesregierung liegt sie zwischen 0,5 und 3,4 Prozent. Günther zufolge sind Betriebe somit alle 30 bis 200 Jahre von einer Überprüfung der Arbeitszeiten bedroht. In Brandenburg werde relativ viel kontrolliert, in Berlin dagegen kaum. »Bezieht man in Berlin die 226 Kontrollen des Jahres 2017 auf die gut 97 000 Betriebe, so ist das Risiko hier besonders gering«, sagte Günther.

»Zwei Drittel der kontrollierten Betriebe brechen das Arbeitszeitgesetz und trotzdem nehmen die Kontrollen seit Jahren ab«, kritisiert auch die LINKEN-Abgeordnete und Sprecherin der Fraktion für Gute Arbeit gegenüber »nd«. »Das ist nichts anderes als staatliche Unterlassung«, so Ferschl.

Die NGG spricht von einer »schockierenden Bilanz« und fordert mehr Kontrollen, sonst drohe »das Arbeitszeitgesetz - eines der wichtigsten Schutzgesetze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland - zum Papiertiger zu werden«, so Rosenberger. Laut Bundesarbeitsministerium beschäftigten die Landesbehörden im Jahr 2016 lediglich 2965 Aufsichtsbeamte. »Statt über Experimentierräume beim Arbeitszeitgesetz nachzudenken, sollte die große Koalition sich lieber um eine wirksame Kontrolle kümmern«, so Rosenberger.

Nach NGG-Angaben entdeckten die Kontrolleure bei zwei Drittel aller Prüfungen einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz. Konkrete Zahlen hat die Bundesregierung nur für wenige Bundesländer. So gab es in Sachsen bei 438 Kontrollen 123 Beanstandungen, Sanktionen wurden nur in 21 Fällen verhängt. In den meisten Fällen bleibe es bei einer Verwarnung, kritisiert die NGG.

Zwar hat die Zahl der Überstunden insgesamt abgenommen, laut aktuellen Zahlen des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg waren es im ersten Halbjahr 2018 dennoch mehr als eine Milliarde. Der Anteil unbezahlter Überstunden hat dagegen zugenommen und beträgt mehr als die Hälfte. Sollte sich der Staat beim Schutz der Beschäftigten nicht stärker engagieren, drohe sich die Situation im digitalen Zeitalter zu verschärfen, so Rosenberger.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) warnt zudem vor den gesundheitlichen Folgen extremer Arbeitszeiten. »Wer regelmäßig lange nachts oder im Schichtdienst arbeitet, der hat ein erhöhtes Risiko, am Herzen oder an Diabetes zu erkranken«, so Dr. Anita Tisch, Leiterin der Abteilung »Wandel der Arbeit«. Studien zeigten zudem, dass das Unfallrisiko auch tagsüber nach der achten Arbeitsstunde exponentiell steige.

Auch Ferschl kritisiert: »Überlange Arbeitszeiten machen krank.« Statt Flexibilisierung und längere Arbeitszeiten wie von Seiten der Arbeitgeber immer wieder gefordert, sei mehr Regulierung und Arbeitszeitverkürzung notwendig. Eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes wie sie allen voran der Deutsche Gaststätten- und Hotelverband fordert, lehnt auch die NGG entschieden ab.

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