- Politik
- EU-Gipfel in Salzburg
Sinnloser Gipfel
EU-Gipfel in Salzburg blieb weitgehend ohne Ergebnisse / Gegendemo mit massiver Polizeigewalt konfrontiert
Die Regierungschefs der EU dürften sich bei ihrem Gipfel in Salzburg am Mittwoch und Donnerstag wenig zu sagen gehabt haben. Sogar die abschließende Pressekonferenz wurde um eine Stunde vorverlegt. Kein Wunder - der Gipfel brachte kaum neue Erkenntnisse.
Eine der wenigen konkreten Maßnahmen war die Einigung darauf, die Grenzbehörde Frontex nochmals umfassend aufzustocken und damit die Festung Europa weiter auszubauen. Das hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker allerdings bereits im Sommer in Wien verkündet. Intensiviert werden soll auch die Zusammenarbeit mit verschiedenen nordafrikanischen Staaten. Unter anderem geht es dabei um Wirtschaftshilfe sowie um die Stärkung der nationalen Küstenwachen. Für flüchtende Menschen bedeutet dies, dass die Überfahrt in die EU nochmals schwieriger und damit gefährlicher wird.
Beim zweiten wichtigen Thema des Gipfels, beim Brexit, gab es keinerlei sichtbare Fortschritte. Ein wesentliches Streitthema bleibt weiter die irische Grenze. Wie bereits im Vorfeld angekündigt, wird nun für Mitte November ein Sondergipfel angedacht, wo der Austrittsvertrag abgesegnet werden könnte. Die britische Premierministerin Theresa May trat allerdings am Tag nach Gipfelende noch einmal nach. Die Verhandlungen seien »in einer Sackgasse«, sagte sie bei einer Fernsehansprache in London am Freitag. Die Absage der EU an den Plan der britischen Regierung zur Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen sei »inakzeptabel«, so May. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten britische Vorschläge zum Brexit abgelehnt, weil diese aus ihrer Sicht den gemeinsamen Binnenmarkt untergraben würden.
Während in der Universität die EU-Granden tagten, protestierten am Donnerstag rund 1300 Menschen. Die Polizei spricht von 900 Teilnehmern. Während die Demonstration sich zu Beginn ohne Störungen zusammenfinden konnte, war das Ende von massiver Polizeigewalt überschattet.
Bereits ab 11 Uhr versammelten sich erste Demonstranten vor dem Salzburger Hauptbahnhof. Eine größere Gruppe von Aktivisten, die aus Bayern anreisen wollten, wurde von der bayerischen Polizei allerdings an der Einreise gehindert, mindestens 18 Personen wurden vorläufig in Gewahrsam genommen, »um eine mögliche Ausreiseuntersagung zu prüfen«, wie die bayerische Polizei gegenüber Salzburg24 erklärte.
Die Plattform »Solidarisches Salzburg«, die die Demonstration gemeinsam mit der »Plattform Radikale Linke« organisierte, spricht von einem »skandalösen Vorgehen der Polizei auf Basis des neuen bayerischen Polizeigesetzes«. Als der Demonstrationszug sich schließlich formierte, war der erste Block in Orange gehalten, der Farbe der Seenotrettung. »Wir wollen damit unsere Solidarität mit den Menschen zeigen, die im Mittelmeer um ihr Leben kämpfen oder sterben«, erklärt Stephan Prokop von der »Plattform Radikale Linke« gegenüber »nd«.
Die Demonstranten trugen Rettungswesten und Schlauchboote, immer wieder wurden auch pyrotechnische Fackeln mit oranger Farbe gezündet. Neben der Solidarität mit geflüchteten Menschen standen soziale Fragen im Fokus der Teilnehmer. »Die Verteidigung sozialer Grundrechte, beispielsweise der Widerstand gegen den Zwölf-Stunden-Tag, ist uns ein wichtiges Anliegen«, sagte Alina Kugler von »Solidarisches Salzburg« zu »nd«. Zur ersten Auseinandersetzung mit der Polizei kam es, als die Demo durch eine besonders enge Gasse geschleust werden sollte, was die Demonstranten verweigerten. Bei einer Konfrontation setzte die Polizei Schlagstöcke ein, auch der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon wurde dabei ins Gesicht getroffen. Die Situation konnte schließlich aufgelöst werden, als rund 50 »Omas gegen Rechts« sich vor der Polizei platzierten und so einen Schutzkorridor für die Demospitze bildeten.
Nach dem offiziellen Ende der Kundgebung im Volksgarten eskalierte die Situation schließlich. Die Polizei verhaftete zwei Demonstranten mit der Behauptung, dass diese Eisenstangen eingesetzt hätten. Augenzeugen weisen das gegenüber »nd« zurück, auch Alina Kugler von »Solidarisches Salzburg« sagt: »Eine solche Stange ist auf keinem von Hunderten Fotos dokumentiert und auch von niemanden gesehen worden. Die Polizei hat vor Ort kein Wort darüber verloren, sondern die Festnahmen mit Identitätsfestellungen begründet.«
Als Demonstranten sich mit den Verhafteten solidarisierten, setzte die Polizei wiederholt Pfefferspray ein. Auch Gummiknüppel kamen zum Einsatz. Mehrere verletzte Personen mussten medizinisch versorgt werden. Die Demonstration selbst bewerten die Organisatoren dennoch als »großen Erfolg«, wie Alina Kugler sagt. Die Polizeigewalt kritisieren sie scharf. »Es muss möglich sein, in Salzburg gegen den EU-Gipfel zu demonstrieren, ohne dass die Polizei mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vorgeht«, so Stephan Prokop.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.