Tag für Tag knapp achtzig Fußballplätze
Städte wachsen, Gewerbegebiete mäandern, Straßennetze werden dichter. Heraus kommt das, was gemeinhin Kulturlandschaft genannt wird, eine vom Menschen maßgeblich geprägte Umgebung. Umweltschützer sprechen indes vom »Flächenfraß« und schlagen Alarm.
»Ökologisch wertvolle Flächen werden in Bauland und Standorte oder Trassen für Infrastrukturen wie Kläranlagen, Flugplätze, Straßen oder Bahnlinien umgewidmet«, schildert das Umweltbundesamt die aktuelle Situation. »Negative Umweltfolgen sowie schädliche städtebauliche, ökonomische und soziale Auswirkungen sind unausweichlich«, warnt die Behörde.
Ein vages Bewusstsein für die Schattenseiten des steten Baubooms hat die Bundesregierung zwar erkannt. Mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gab sie 2002 die Order aus, die Flächenversiegelung schrittweise zurückzufahren. Der Verbrauch sollte bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag reduziert werden. Aber es ist unwahrscheinlich, dass dieses Ziel gehalten wird, denn 2016 betrug die tägliche Inanspruchnahme von neuem Land noch rund 60 Hektar, was einer Fläche von 80 Fußballfeldern entspricht. Vor allem Ackerland geht verloren.
In Bayern hatten die Grünen im Frühjahr ein Volksbegehren unter dem Motto »Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt« eingeleitet. Es formulierte das Ziel, die Versiegelung auf fünf Hektar am Tag einzudämmen. Rund 50 000 Unterschriften hatte die Initiative bereits gesammelt, als das bayerische Verfassungsgericht das Vorhaben im Juli stoppte, weil es darin einen unzulässigen Eingriff in die Hoheit der Kommunen sah. Jetzt machen die Grünen mit dem Thema Wahlkampf und mobilisieren am 6. Oktober zu einer Großdemonstration nach München.
Bei der Flächenversiegelung ist vielerorts ein paradoxer Effekt zu beobachten: Der Verbrauch ist auf dem Land höher als in den prosperierenden Städten. Selbst in Gegenden, in denen die Einwohnerzahl sinkt. In der Oberpfalz etwa ist der Landkreis Neustadt an der Waldnaab bayerischer Spitzenreiter im Flächenverbrauch. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Natürlich solle die historische Altstadt erhalten bleiben, erläuterte der Bürgermeister der Gemeinde Markt Waldthurn, Josef Beimler, unlängst dem Bayerischen Rundfunk. Es würden aber auch Seniorenheime gebraucht, und junge Familien, die im Eigenheim leben wollen, sollten sich auch ansiedeln können. Dafür braucht es nun einmal Platz, und auf dem Land wird in die Breite gebaut, nicht in die Höhe. sot
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