Der dritte Krieg in Tripolis in sieben Jahren

Trotz UN-Vermittlung: Mehr als 100 Tote in Libyens Hauptstadtregion innerhalb von vier Wochen / Milizen machen sich Machtvakuum zunutze

  • Mirco Keilberth, Tunis
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei schweren Kämpfen im Süden und Osten der libyschen Hauptstadt Tripolis sind am Wochenende zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der Regierung in Tripolis starben damit mindestens 106 Personen seit dem Aufflammen der Kämpfe vor vier Wochen.

Zuvor hatte ein von den Vereinten Nationen vermittelter Waffenstillstand mehr als 5000 Familien die Flucht aus Stadtteilen rund um den internationalen Flughafen ermöglicht, wo Luftabwehrgeschütze und Kurzstreckenraketen zum Einsatz kamen. Der Vormarsch der so genannten 7. Brigade aus der 60 000-Einwohner-Stadt Tarhouna konnte von den vier in Tripolis herrschenden Milizen gestoppt werden.

Die konkurrierenden schwerbewaffneten Gruppen der Hauptstadt hatten sich nach dem Aufstand gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren Zugang zu Ministerien und Banken verschafft. Auf ihren Lohnlisten stehen mindestens 270 000 »Revolutionäre«, die nun offiziell Teil von Armee oder Polizei sind, aber dennoch autonom handeln. Milizen-Kommandeure wie Haithem Tahouri oder Abdulrauf Kara kontrollierten nicht nur die Straße, sondern auch die Übergangsregierung, sagen selbst Berater von Premier Fayez Serradsch.

Die von dem kartellähnlichen System ausgeschlossenen Gruppen außerhalb der Zwei-Millionen-Stadt hatten schon länger ihre Unzufriedenheit mit dem Status quo verkündet. Doch Unterhändler der UN und Italiens kooperierten mit den Warlords, um ihre Botschaften und die Regierung zu sichern, die ihre eigenen Sicherheitskräfte seit Monaten nicht bezahlen kann. Um die Migration nach Europa zu stoppen und die auf dem Mittelmeer von der libyschen Marine Geretteten aus Libyen zu evakuieren, sollten die Missionen des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) und der Organisation für Migration nach vierjähriger Pause wieder im Land operieren. Ende Juli sollte das erste Lager für Migranten vom UNHCR übernommen werden. Doch die Forderungen der bisher in dem Camp nahe des Regierungssitzes herrschenden Miliz zeigten, dass die Mehrheit der über 10 000 Milizionäre in Tripolis sich an Abkommen nicht gebunden fühlt.

Die Einheitsregierung von Serradsch stützt sich auf die »Tripolitaner Verteidigungseinheiten«. Diese von Islamisten dominierte »7. Briga-de« erhält Unterstützung aus Misrata und anderen Orten Westlibyens. General Khalifa Haftar, der Machthaber in Bengasi und im Osten Libyens, droht nun, seine Truppen würden »zu gegebener Zeit und auf die richtige Weise« in Tripolis eingreifen. Haftar hat Ambitionen, die Macht in ganz Libyen an sich zu reißen.

Der Sprecher des UNHCR, Tarek Argaz, bestätigte, dass die Evakuierung von Flüchtlingen über den Stadtflughafen Maitiga eingestellt wurde. Viele Migranten machen sich nun auf den Weg an die Küste, in der Hoffnung, einen Platz auf einem Boot nach Europa zu ergattern, berichten ein Helfer des Roten Halbmondes in der Hafenstadt Zauwia. Mohamed Sifau befürchtet, dass die Flüchtlingslager bald auch voller Libyer sein werden. »Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Krieg um Tripolis. Es scheint es der blutigste zu werden.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.