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Trennungsväter-Verband radikalisiert sich
Der »Väteraufbruch« war einst progressiv - heute betätigt er sich teilweise antifeministisch
Mit Deutschlandfahne am Oberschenkel schimpft die Frau auf der Bühne über »organisierten Kinderhandel«, an dem sich angeblich staatliche Stellen wie Jugendämter und Familiengerichte beteiligten. Der Kölner Kreisverein des »Väteraufbruch für Kinder« (VafK) hat im Juni 2018 zu einer bundesweiten Kundgebung in die Domstadt eingeladen. Neben geschiedenen Männern, die »allen Kindern beide Eltern« wünschen, und einer Großmutter, die den abgebrochenen Kontakt zu ihren Enkeln beklagt, redet auch Fridi Milller, die Frau mit der Fahne.
Das linke Portal Indymedia stuft die Rednerin als »braun« ein, vor allem aber ist sie eine schillernde Figur. In Baden-Württemberg hat sie mehrfach als parteilose Bürgermeisterin kandidiert, an ihrem Wohnort Sindelfingen wollte sie per Direktmandat in den Bundestag, um die Kanzlerin zu stürzen. Mediales Aufsehen erregte sie, als sie in Günter Jauchs Quiz-Show 32 000 Euro gewann und sich einen Porsche kaufte, den sie flächendeckend mit »Merkel muss weg«-Parolen beklebte.
Warum kommt diese Frau auf einer Protestveranstaltung von Trennungsvätern so exponiert zu Wort? Der Väteraufbruch für Kinder war mal ein progressiver Interessenverband, nach seiner Gründung vor 30 Jahren forderte er mehr Rechte für nichteheliche Väter, aber auch egalitäre Geschlechterrollen und kürzere Arbeitszeiten für Eltern. Heute ist der bundesweit tätige Verein eine der größten männerpolitischen Organisationen mit nach eigenen Angaben rund 3000 Mitgliedern. Die Fluktuation ist hoch, viele Väter kommen bei akuten Problemen und gehen, sobald sie diese gelöst haben. Ein klares Profil zu zeichnen, ist daher schwierig, das Bild heterogen.
Selbsthilfegruppen wie der VAMV (Verband Alleinerziehender Mütter und Väter), dem überwiegend Mütter angehören, begegnen dem Väteraufbruch von jeher mit Vorbehalten. Auch frauenpolitische Initiativen sind skeptisch, zumal VafK-Aktivisten im öffentlichen Raum oft undiplomatisch und aggressiv auftreten. Der Väteraufbruch als Ganzes war jedoch nie antifeministisch orientiert. Viele regionale Gruppen leisten engagierte Arbeit, unterstützen und beraten Männer in Notlagen. Zugleich jedoch gab es schon früh männerrechtliche Unterströmungen und eine bedenkliche Nähe zu rechtskonservativen Positionen in einflussreichen Ortsverbänden.
2006 ließ sich der Schauspieler und Trennungsvater Mathieu Carrière in Berlin spektakulär ans Kreuz fesseln, stilisierte sich zum Opfer weiblicher Emanzipation. Furore im Väteraufbruch machte einst das Buch »Die vaterlose Gesellschaft« des früheren »Spiegel«-Redakteurs Matthias Matussek, der später zum katholischen Fundamentalisten konvertierte und inzwischen in rechten Internetforen publiziert. Dabei hat sich juristisch in drei Jahrzehnten eine Menge getan. 1998 wurde das Kindschaftsrecht reformiert, seither gilt der Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge nach einer Trennung auch für nichteheliche Väter - vorausgesetzt, die Mutter stimmt zu. Gegen Letzteres klagte ein Betroffener bis zum Europäischen Gerichtshof und bekam am Ende Recht.
Kinder sind heute seltener als früher Faustpfand und Zankapfel in gescheiterten Beziehungen. Gerade die Lage nichtehelicher Väter hat sich deutlich verbessert. Mehr Paare finden nach der Beobachtung von Familienanwältinnen eine einvernehmliche Lösung oder wählen die Möglichkeit einer Mediation, statt vor Gericht zu ziehen. Dennoch bleibt Trennung das größte Minenfeld-Thema in der geschlechterpolitischen Debatte.
Immer wieder demonstrieren Väterrechtler, sie fordern die gesetzliche Einführung des Wechselmodells als Regelfall. Die »paritätische Doppelresidenz«, bei der Scheidungskinder jeweils hälftig bei beiden Eltern leben, wird von vielen Fachleuten befürwortet. Auch SPD-Justizministerin Katarina Barley unterstützte das Konzept im Wahlkampf; im Koalitionsvertrag steht dazu allerdings nichts. Im Bundestag profiliert sich damit nun die FDP-Fraktion.
Der Väteraufbruch ist Teil des »Bundesforums Männer«, des vom Familienministerium geförderten Dachs der männerpolitischen Initiativen. Auf der Kölner Demonstration aber waren direkt neben dem VafK-Logo vor dem Podium Plakate der »Interessengemeinschaft Jungen-Männer-Väter« platziert. Die »IG-JMV« ist eine antifeministische Reaktion auf das moderat auftretende Bundesforum, das mit Frauenpolitikerinnen kooperieren will. Sie beteiligt sich an sogenannten »Gender-Kongressen«, die faktisch Anti-Gender-Veranstaltungen sind und in denen das Thema Scheidung eine zentrale Rolle spielt. Zwei Tagungen fanden bisher in Nürnberg statt, die nächste ist für Juli 2019 in Köln geplant. Als einer der Verbände, auf denen »der Kongress inhaltlich basiert«, wird auf der Webseite neben männerrechtlichen Initiativen und Blogs auch der lokale Kreisverein des Väteraufbruchs gelistet.
Der Bundesvorstand argumentiert stets, der VafK sei dezentral aufgebaut, die Ortsgruppen agierten unabhängig. Ein seltsames Verständnis von Verantwortung, schließlich kann jeder Verband in landesweiten Mitgliederversammlungen rote Linien definieren.
Für das öffentlich geförderte Bundesforum Männer ist es zum Problem geworden, dass in einem Mitgliedsverein heikle Positionen auftauchen. »Selbstverständlich werden die zum Teil extremen Positionierungen in den regionalen Handlungsebenen des Vafk zur Kenntnis genommen«, heißt es auf Anfrage des »nd«. Das Bundesforum erwarte demnach, dass der Väteraufbruch die »geschlechterdialogisch orientierte Plattform des Dachverbandes auch in seinen eigenen Gliederungen durchsetzt«.
Schon die Aufnahme des Väteraufbruchs in das Bundesforum war intern umstritten: Erst als Links zu antifeministischen Seiten von der Homepage verschwanden und der Vorstand einen dialogischen Kurs zusicherte, sprach sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Beitritt aus. Dennoch sieht das Bundesforum auf Vorstandsebene nach eigenen Angaben »derzeit keine Veranlassung, mit Blick auf die Plattform an der Ernsthaftigkeit des Vafk zu zweifeln«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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