Paradies in Gefahr
Das Sine-Saloum-Delta in Senegal ist durch den steigenden Meeresspiegel und den Klimawandel bedroht
Wie glitzernde Wolken schweben Schwärme von Fischen vorbei. Unter sengender Sonne, dem Wechsel der Gezeiten ausgesetzt, schlagen Mangroven Wurzeln. Sie bilden Lebensräume für Hunderte von Arten. Auf ihrem Kronendach nisten Vögel, rollen sich Schlangen zusammen. Darunter befindet sich die Gezeitenzone, die regelmäßig überspült wird: Hier heften sich Muscheln und Seepocken an. Im Mangrovensaum leben Algen, Schwämme und Seeanemonen, die Stelzwurzeln einhüllen - Nahrung für Langusten und Garnelen.
Der Nationalpark Sine Saloum ist eine der schönsten Regionen im westafrikanischen Senegal. 2011 wurde die grandiose Deltalandschaft mit rund 200 Inseln von der UNESCO zum Welterbe erklärt. Naturliebhaber schätzen in dieser Landschaft die Kraniche, Störche, Reiher, Pelikane, Flamingos und Kormorane. Enten, Möwen, Seeschwalben, Schildkröten und Seekühe finden ihre Nahrung in den Gewässern, in den Wäldern leben Antilopen, Affen, Hyänen und Wildschweine. Doch Fischfang, Sturmfluten, Wetterextreme und der steigende Meeresspiegel bedrohen das empfindliche Ökosystem und Touristenparadies.
Im Naturpark 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Dakar münden die Flüsse Sine und Saloum ins Meer und bilden ein großflächiges Überschwemmungsgebiet. Das Besondere daran ist, dass das Meer in Richtung des Flusses drückt und somit die ganze Mündungsregion vom Atlantik gespeist wird. In den Meeresarmen mischt sich das Süßwasser der Flüsse mit dem Salzwasser des Atlantischen Ozeans.
Die Umweltprobleme begannen vor Jahrzehnten mit einer Trockenheit. Die Folge: Waldsterben, Senkung des Grundwasserspiegels und Versandung von Meeresarmen. Hinzu kommt der demografische Druck durch die 20 000 Einwohner des Parks, meist Fischer und Austernzüchter. Die Erhöhung des Meeresspiegels lässt zudem den Salzgehalt im Wasser steigen und bedroht Fischarten und Mangroven, die an die Mischung zwischen Salz- und Süßwasser angepasst sind.
Zudem verändern die Wetterextreme die Landschaft. Zum Beispiel rund um die Insel Dionewar. »Das Phänomen begann im Februar 1987«, erinnert sich Mamadou Lamine Dong, der Dorfchef der Insel. »Das Meer strömte über das Land und ließ den benachbarten Meeresarm zusammenbrechen - seither befinden wir uns mitten im Ozean.« Seit das Stück Land verschwunden ist, machen die großen Atlantikwellen die Strände der Insel kaputt. »Wir verlieren jedes Jahr Hunderte von Quadratmetern am Nordwestrand des Dorfes«, sagt Dong. »Wir müssen machtlos zuschauen.«
In Dionewar leben die 5000 Einwohner der Ethnie der Serere Niominka von Fischfang und Tourismus. »In den letzten zwei Monaten sind rund 30 junge Männer weggegangen«, bedauert Mohamed Ndiaye. Der 33-jährige Öko-Touristenführer geht gemeinsam mit anderen Erwachsenen von Haus zu Haus, um vor diesem »Virus« der Auswanderung zu warnen. Hier sei das echte Afrika, meint Mohamed Ndiaye. »Wenn ich hier leben kann, bleibe ich hier.«
Der Umweltschützer Haidar El Ali engagiert sich seit 1984 als Direktor des Unterwasserzentrums »Océanium« in Dakar für eine nachhaltige Verwaltung natürlicher Ressourcen. Der aus dem Libanon stammende Senegalese pflanzte mit der Bevölkerung 100 Millionen neue Mangrovenbäume. Aber, klagt der 65-Jährige, der von der Pariser Tageszeitung »Le Monde« als einer der 100 einflussreichsten Umweltschützer der Welt bezeichnet wurde, »trotz aller Energie schaffen wir es kaum, fünf Prozent des verschwundenen Mangrovenbestands wiederherzustellen.«
Weltweit bedrohen Aquakulturflächen und Landwirtschaft sowie die Nutzung von Holz als Brenn- und Baumaterial die Mangroven. In Dassilame Serere inmitten der Welterbe-Region schuf Haidar El Ali das erste Wasserschutzgebiet des Landes, das anderen Orten als Modell dient: Hier darf nicht gefischt werden, bis der Bestand wieder wächst.
Das Ansteigen des Meeresspiegels wird dadurch allerdings nicht verhindert. Afrika habe nicht die Mittel, etwas dagegen zu unternehmen, stellt Haidar fest: »Die Armen werden bezahlen, während der Norden den Klimawandel verursacht.« epd/nd
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