Ex-Angestellte verklagt Facebook
San Mateo. Facebook ist in den USA von der ehemaligen Mitarbeiterin eines Löschzentrums verklagt worden, weil die ständige Belastung durch die schockierenden Inhalte sie krank gemacht habe. Die Anwälte der Frau aus San Francisco streben eine Sammelklage an, der sich auch andere Beschäftigte anschließen können. Sie erklärt, sie habe nach der Arbeit für Facebook ein posttraumatisches Belastungssyndrom.
In den sogenannten Löschzentren - von denen es auch zwei in Deutschland gibt - werden unter anderem anstößige Videos und Bilder, Hassreden oder Gewaltdarstellungen gesichtet und entfernt. Als Zeitarbeiter eingestellte sogenannte Facebook-Moderatoren würden täglich Tausenden Videos, Bildern und Live-Übertragungen von sexuellem Missbrauch von Kindern, Vergewaltigungen, Folter, Tiersex, Enthauptungen, Suiziden und Morden ausgesetzt, erklärte Klägeranwalt Korey Nelson von der Kanzlei Burns Charest am Montag. »Wir prüfen die Behauptungen derzeit«, teilte Facebook in einem Statement mit.
Das Unternehmen ignoriere seine Pflicht, für die Sicherheit dieser Mitarbeiter zu sorgen, hieß es in der Mitteilung der Anwälte weiter. Facebook greife beim Ausmisten seiner Plattform auf Zeitarbeiter zurück, die angesichts der schockierenden Inhalte irreparable traumatische Schäden in dem Job erlitten. Die Klägerin Selena Scola aus San Francisco arbeitete den Anwälten nach ab Juni 2017 neun Monate im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma für Facebook, später sei bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Die Kanzlei strebt eine Sammelklage im Namen aller betroffenen Facebook-Mitarbeiter an und fordert unter anderem die Einrichtung eines Fonds für medizinische Tests und Versorgung der Moderatoren.
Die deutschen Löschzentren in Berlin und Essen betreibt Facebook nicht selbst, sondern greift auf die Dienstleistungsfirmen CCC und Arvato zurück, die unter anderem im Call-Center-Geschäft sind. Nach Kritik an den Arbeitsbedingungen gewährte Facebook im vergangenen Jahr einigen wenigen Journalisten Zugang zum Berliner Löschzentrum und betonte auch hier die Maßnahmen zur psychologischen Unterstützung.
Gespräche mit Mitarbeitern - in Anwesenheit von Facebook-Vertretern - zeichneten damals ein Bild von Menschen, die mit der Härte des Jobs zu kämpfen haben und zum Teil abstumpfen. »Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab’ ich dann ausgemacht, bin raus und hab erst mal ein wenig geheult«, erinnerte sich damals eine 28-jährige Mitarbeiterin. »Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm.« Einer der Teamleiter sagte damals auch, Mitarbeiter müssten sich selbst melden, um psychologische Betreuung zu bekommen. »Ich als Teamleiter weiß ja nicht, ob jemand Betreuung braucht oder nicht.« Zugleich arbeiten die Menschen in den Löschzentren mit dem Gefühl, andere vor Schaden zu bewahren: »Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut«, sagte eine der Frauen. dpa/nd
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