Fahr los!
Mit ¡Anda! bringen zwei junge Leipziger Kinofilme aufs Land
Nach ihrem ersten Sommer ziehen Isabel Lindemann (25) und Felix Kolb (26) eine Bilanz. Pläne für die Zukunft gibt es auch. »Die Idee kam auf, als wir 2017 mit unserem gebrauchten Ford Transit nach einem Studienaufenthalt von Granada in Südspanien mehrere Wochen lang zurück nach Leipzig fuhren«, erzählt Felix Kolb. Er und seine Freundin Isabel Lindemann sind filmbegeistert und dachten sich, warum nicht die Gelegenheit nutzen und unterwegs Filme zeigen. Beide hatten zuvor schon bei verschiedenen Filmfestivals gearbeitet und haben viele Menschen in ihrem Umfeld, die Filme machen.
Die Umsetzung der Idee war dann doch schwieriger als gedacht. Sie mussten Solarzellen aufs Busdach bekommen, kauften einen gebrauchten Beamer, Lautsprecherboxen und eine faltbare Leinwand. Es gibt eine kleine Bar im Bus. Isabel Lindemann sagt: »Die Filme stellen uns oft befreundete Filmemacher und Filmemacherinnen zur Verfügung, manchmal für weniger Lizenzgebühr als sie eigentlich kosten.«
Inzwischen waren Isabel Lindemann und Felix Kolb mit ¡Anda! bei etlichen Dorf- und Vereinsfesten unterwegs und haben Erfahrung gesammelt. ¡Anda! ist im Spanischen übrigens ein Ausdruck des Erstaunens und bedeutet auch »Fahr los!« Den beiden ist wichtig, nach dem Kino mit den Zuschauerinnen und Zuschauern über das Erlebte zu diskutieren, wenn diese das auch wollen. Bei »Joe Boots« geht es zum Beispiel um einen US- Kriegsveteranen, der mit 21 Jahren traumatisiert aus Irak zurückkam. So ein Film lässt niemanden unberührt. Sie zeigen aber auch eine Hommage an die sowjetische Hippie-Bewegung und »Wenn ein Garten wächst« von Ines Reinisch.
Natürlich gibt es auch Vorbehalte, gerade im ländlichen Raum, wo die Leute nicht oft mit Independent-Filmen in Berührung kommen. Aber Felix Kolb, der in Leipzig Geografie studiert, und Isabel Lindemann, angehende Kulturwissenschaftlerin, wollen genau das - den Graben zwischen Stadt und Land verringern. Dafür haben sie im Sommer auf Urlaub verzichtet, ihre Nebenjobs umorganisiert und sind von Kassel bis Eisenach oder ins Klimacamp in Pödelwitz gefahren. Sie können Kino machen am Flussufer, unter Bäumen oder auf dem Acker. Es hat fast nie geregnet, der Sommer war für sie ein Glück. Bevor sie losfuhren, sammelten sie die Anfragen und planten dann die Touren entsprechend. Meist kamen zwischen 20 und 100 Leute, das schwankte sehr. Sitzgelegenheiten fanden sich vor Ort in Absprache mit dem Veranstalter, zur Not tun es auch Strohballen.
Der Eintritt ist übrigens frei, natürlich gibt es Getränke und Popcorn. Das Projekt finanziert sich über Spenden. Jeder soll Zugang zum Filmerlebnis haben, das ist Isabel und Felix wichtig. Eine so genannte Crowdfunding-Aktion über die Online-Plattform startnext hat 2580 Euro eingebracht. Das Geld wollen die beiden Leipziger in die Weiterentwicklung ihres Projektes stecken, in Marketing, Filmlizenzen, eine größere Leinwand und die Reparatur des Busses. Beim Crowdfunding hatten Isabel und Felix online ihre Idee vorgestellt, viele Nutzer haben dann viele kleine Summen gespendet, bis das Geld zusammengekommen war. In Gegenzug erhalten sie kleine Gegenleistungen vom Dankeschön-Luftkuss über Poesie-Postkarten bis hin zur Privatvorstellung (400 Euro). Die meisten spenden aber, damit die Idee des fahrenden Kinos verwirklicht werden kann. Felix Kolb sagt: »Uns ist es wichtig, mal was anderes zu machen, wegzukommen von dem Gedanken, dass sich immer alles rechnen muss. Natürlich können wir von dem Projekt nicht leben, aber bei uns sehen die Leute etwas, das sie sonst nie sehen würden.«
Internet: www.startnext.com/anda-fahrendes-kino
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