Hektik in Hamburg

Fangruppen vom HSV und St. Pauli sorgen schon vor dem Derby für Unruhe

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.

»Scheiß St. Pauli!« »Scheiß HSV!« Diese und ähnliche Rufe schallten vor dem ersten Hamburger Derby seit sieben Jahren schon Tage vor dem Anpfiff am Sonntag des Nachts durch die Stadt. Die sportlichen Aspekte des Duells spielten eine untergeordnete Rolle, die Schlagzeilen bestimmten Fangruppen beider Vereine.

In Internetforen kursierten Aufrufe zur Gewalt. Es kam zu Zusammenrottungen von Anhängern des Hamburger SV vor dem Bismarck-Denkmal am Millerntor, die von der Polizei aufgelöst werden mussten. Zuvor hatte laut dem Internetportal »Faszination Fankurve« eine braun-weiße Ultratruppe HSV-Fans überfallen, die in einer Halle im Stadtteil Eidelstedt eine Choreographie für das Derby vorbereitete. Anhänger des Hamburger SV reagierten darauf, in dem sie lebensgroße braun-weiße St.-Pauli-Puppen aus Stroh mit Seilen an acht über das gesamte Stadtgebiet verteilten Brücken aufhängten. Bereits im August hatten HSV-Hooligans im Stadion ein Transparent mit der Aufschrift »Stellt euch endlich unsrer Gier, 100 ihr:100 wir« ausgerollt - eine unverblümte Einladung zu einer großen Keilerei.

Verschiedene Deeskalationsbemühungen von Vereinsoffiziellen wie Sandra Schwedler, Aufsichtsratschefin des FC St. Pauli, scheinen ins Leere zulaufen. »Ausschreitungen befürchte ich nicht. Es wird alles ruhig bleiben«, sagte die aus der Fanszene des Kiezklubs stammende Schwedler kürzlich - um Druck vom Kessel zu nehmen.

Die Hamburger Polizei ist natürlich in höchster Alarmbereitschaft. Oberstes Ziel ist es, die Fangruppen beim Duell der Erzrivalen auseinanderzuhalten. Wie das geschehen soll, will Polizeisprecher René Schönhardt nicht verraten: »Über die Polizeitaktik und die Zahl der aufgebotenen Kräfte sagen wir nichts. Das machen wir nie.« Nur soviel lässt er sich auf Nachfrage entlocken: »Ja, es ist ein Risikospiel. Wer sich die früheren Derbys angeguckt hat, weiß, dass da nicht nur Bengalos gezündet wurden.« Deshalb sei die Polizei »auf alle Eventualitäten vorbereitet«.

Einer, der nicht über mögliche Krawalle, sondern lieber über den Fußball reden möchte, ist der Sportwissenschaftler Broder-Jürgen Trede, der das Derby gemeinsam mit seinem Kollegen Lars Wegener für das Internetradio des HSV kommentieren wird. Für Trede ist der HSV »vielleicht ganz leicht der Favorit«. Den Unterschied zugunsten der Rothosen könnten am Sonntag die Fans ausmachen, hofft der Klubchronist und Autor des Vereinsmagazins »HSVlive«: »Dass es eine enge und bis zum Schluss unterhaltsame und spannende Partie wird, da bin ich mir ziemlich sicher. Beide Mannschaften sind für viele Tore gut - vorne wie hinten.« Sandra Schwedler vom FC St. Pauli beantwortet die Frage nach dem Tipp etwas forscher: »Ich bin jetzt mal mutig und sage: Das Hinspiel endet unentschieden, das Rückspiel gewinnen wir.«

Einig sind sich beide Vereinsvertreter darin, dass die Eintrittspreise für dieses Zweitligaspiel zu hoch sind. Der billigste Sitzplatz kostet im mit 57 000 Zuschauern ausverkauften Volksparkstadion 37 Euro. »Die Ticketpreise sind schon heftig, in der Tat. Ich könnte und wollte mir diesen Stadionbesuch mit meiner Familie nicht leisten und bin froh, dass ich eine Arbeitskarte für dieses Spiel habe«, sagt Trede, gibt aber zu bedenken: »Andererseits: Das ist Marktwirtschaft. Als der Onlineverkauf gestartet wurde, sind beim HSV die Server zusammengebrochen. Das Spiel war binnen kürzester Zeit ausverkauft. Dieses Derby elektrisiert die Stadt.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.