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Ein Lächeln für den Diktator
Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wollen ihre Beziehungen verbessern
Es war eine gespenstische Szene, die sich am Freitagnachmittag im Kanzleramt abspielte. Während der Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wurde der Fotograf Adil Yigit vor laufenden Kameras von sogenannten Sicherheitskräften abgeführt. Zuvor hatte Yigit, der in Hamburg lebt, in der ersten Reihe der Journalisten ein T-Shirt mit der Forderung nach Freilassung von in der Türkei inhaftierten Journalisten übergestreift. Nachdem sein Kritiker von der Veranstaltung entfernt worden war, lächelte Erdoğan überlegen. Merkel wartete einen Moment und fuhr dann mit ihrem Statement fort, als sei nichts geschehen.
Vor der Veranstaltung soll Erdoğan gedroht haben, nicht vor die Presse zu treten. Denn auch der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung »Cumhuriyet«, Can Dündar, hatte seine Teilnahme angekündigt. Er war in der Türkei wegen angeblicher Spionage und der »Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen« zu fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Hintergrund des Urteils sind die repressiven Maßnahmen der autoritären türkischen Regierung gegen kritische Journalisten und Oppositionelle. Inzwischen lebt Dündar in Deutschland.
Der Pressekonferenz in Berlin blieb er letztlich fern, damit Erdoğan diese nicht boykottiert. Auf Nachfrage eines Journalisten räumte Merkel ein, dass sie und Erdoğan unterschiedliche Meinungen zum Fall von Dündar hätten. Der türkische Staatschef verlangt die Auslieferung des Journalisten sowie von 68 weiteren Personen.
Die Kanzlerin merkte an, dass es zwischen ihr und Erdoğan Differenzen gebe. Sie nannte in diesem Zusammenhang die »Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit«. Es sollte eine rasche Lösung für die in der Türkei inhaftierten Deutschen geben. »Ich habe darauf gedrängt, dass auch diese Fälle möglichst schnell gelöst werden können«, sagte Merkel.
Ansonsten betonte die CDU-Chefin vor allem die Gemeinsamkeiten mit Ankara. Deutschland und die Türkei sind NATO-Verbündete. Merkel lobte zudem die Türkei dafür, dass sie mehr als drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Vor zweieinhalb Jahren haben Brüssel und Ankara einen Pakt geschlossen. Demnach erhält die Türkei sechs Milliarden Euro, wenn sie im Gegenzug ihre Grenzen abriegelt - also Geflüchtete von Europa fernhält.
Zudem ist die Türkei Kriegspartei in Syrien. Sie hatte zu Beginn des Jahres zusammen mit islamistischen Milizen kurdische Regionen im Norden des Landes überfallen. Für Berlin ist die Türkei in der Region eine verbündete Regionalmacht. Merkel kündigte an, sich im Oktober mit den Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Türkei zu einer Konferenz über die Lage in Syrien treffen. Bei dem Treffen solle die kritische Situation um die letzte Rebellenhochburg Idlib im Mittelpunkt stehen. Die Türkei beliefert die dortigen Rebellen, die unter anderem von Russland und den syrischen Streitkräften bekämpft werden, mit Waffen.
Trotz der Rolle der Türkei im Syrien-Krieg kündigte Merkel an, dass die Bundesrepublik ihre Zusammenarbeit mit Ankara bei der »Bekämpfung von Terrorismus« intensivieren werde. In der Türkei werden unter anderem Linke unter dem Vorwand des Terrorismus verfolgt. Erdoğan erklärte, dass er mit der Kanzlerin über eine stärkere Bekämpfung der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geredet habe. Außerdem will der Staatschef, dass Anhänger seines früheren Verbündeten Fethullah Gülen verfolgt werden. Die türkische Regierung macht das geistliche Oberhaupt der Gülen-Bewegung für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich.
Gülens Bewegung wurde in der Türkei zur Terrororganisation FETÖ erklärt. Merkel sagte, dass man die Hinweise der Türkei zu FETÖ sehr ernst nehme, aber diese nicht ausreichten, sie genau so wie die PKK zu behandeln.
Ansonsten warb Erdoğan für engere wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland. Das liegt nach Aussagen von Merkel auch im Interesse der Bundesrepublik. Genaueres sollte im Laufe des Tages auch mit Konzernchefs besprochen werden. Erdoğan bemühte sich, die wirtschaftliche Krise seines Landes kleinzureden. So war die türkische Lira zuletzt eingebrochen. Erdoğan sprach lediglich von »begrenzten wirtschaftlichen Schwankungen«.
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