Berliner Biedermänner

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Im beschaulichen Berliner Stadtteil Buchholz hat sich eine Art Bürgerwehr gegründet, die nach eigener Aussage gar keine Bürgerwehr sein will. In Autos, die denen der Polizei ähneln, fahren sie durch den Straßen und sehen dort nach dem Rechten. Die Sicherheit ihrer Mitmenschen ist ihnen eine Herzensangelegenheit. Man berät die Bürger, wie sie sich vor Einbrüchen schützen können, informiert über sichere Schulwege, bietet Aktionen für Verkehrssicherheit - »besonders für Kinder und ältere Menschen« - an und hält Vorträge und Schulungen »zum Erkennen von Straftaten und Gefahrenlagen«.

Die Bürgerwehr, die keine sein will, nennt sich »Buchholzer Sicherheit«, abgekürzt: BuSi. Das klingt harmlos, ist es sicherlich (!) auch, denn in Buchholz ist es gar nicht so unsicher; laut Statistik ist der Ortsteil im eh’ schon kaum kriminalitätsbelasteten Bezirk Pankow der mit mit den zweitwenigsten Straftaten.

Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. Gemeint ist damit, dass man die Gefahr nur überwinden kann, wenn man sich der Angst vor ihr stellt. Die größte Angst vor der Gefahr hatten aber schon immer jene, die am wenigsten zu befürchten hatten. Kommt die Gefahr aber näher, greift sie nach ihnen, ignorieren sie diese. Max Frischs »Biedermann und die Brandstifter« ist eine Parabel auf diese Sorte Mensch. Die Brandstifter dringen in das Haus des Fabrikanten Biedermann ein, machen keinen Hehl daraus, dass sie beabsichtigen, es abzufackeln - schließlich führen sie Zündholz und Benzinkanister mit -, und Biedermann ignoriert nicht nur die Gefahr, er gibt ihr sogar Obdach und beköstigt sie, während er sich gleichzeitig über die vielen Brandstiftungen in der Nachbarschaft und den Leichtsinn seiner Mitbürger echauffiert.

In Berlin-Buchholz haben sie Angst vor den Einbrechern, vor unsicheren Schulwegen und davor, Straftaten nicht zu erkennen. Die Brandstifter in ihren nachgemachten Polizeiwagen aber sind schon auf dem Weg zu ihnen. jam Foto: pixabay

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