Streit um Chancen für Geduldete
Bundesregierung will die Migration von gesuchten Fachkräften fördern
Berlin. Heizungsbauer, Bäcker und andere Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten sollen künftig zur Arbeitsplatzsuche für sechs Monate nach Deutschland kommen dürfen. Das Bundeskabinett beschloss am Dienstag nach einer Einigung der Koalitionsspitzen ein entsprechendes Eckpunktepapier. Im Streit um einen »Spurwechsel« für abgelehnte Asylbewerber in Deutschland aus dem Asyl- ins neue Zuwanderungsrecht hat sich die Koalition auf Grundsätze geeinigt. Welche Kriterien angelegt werden sollen, steht aber noch nicht fest.
Voraussetzung für die Fachkräftezuwanderung sollen eine qualifizierte Ausbildung und Deutschkenntnisse sein. Außerdem müssen die Ausländer genügend Geld vorweisen können, um ihren Lebensunterhalt während der Jobsuche selbst zu bestreiten. Eine vergleichbare Regelung gibt es schon für Hochschulabsolventen. Eine »Zuwanderung in die Sozialsysteme« soll es ebenso wenig geben wie einen Rechtsanspruch auf Einreise. Das heißt, letztlich entscheidet die Botschaft, ob ein Visum erteilt wird.
Die neue Möglichkeit soll auf fünf Jahre befristet werden. Wegfallen soll im Grundsatz die Vorrangprüfung, nach der Arbeitgeber zum Nachweis verpflichtet sind, keinen einheimischen Arbeitssuchenden zu finden. In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit soll sie wieder eingesetzt werden können.
Für Menschen, die bereits mit Duldungsstatus im Land sind, soll es bundesweit geltende Regeln für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis und eines sichereren Aufenthaltstitels geben. Bekommen können soll diesen laut dem Beschluss, wer durch Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt sichert und gut integriert ist. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, die Regierung peile für diese Menschen einen sicheren, verlässlichen Status an, »damit wir nicht die Falschen abschieben«.
Bereits bestehende Möglichkeiten für Geduldete sollen also erweitert werden. Seehofer, Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen die Pläne in einem Gesetzentwurf ausgestalten, der laut Heil noch in diesem Jahr ins Kabinett kommen soll. Die Minister sagten, über den Begriff »Spurwechsel« sei nicht mehr gesprochen worden, stattdessen habe man eine pragmatische, lebensnahe Lösung gefunden. Wechsel aus einem laufenden Asylverfahren in Arbeitsmigration werde es nicht geben, so Heil.
Der Arbeitgeberverband BDA begrüßte die Pläne als »überfällig und richtig«, wie Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sagte. Dass die Fachkräftezuwanderung nicht mehr auf Engpassberufe beschränkt werden solle, erlaube, dass der tatsächliche Bedarf gedeckt werde. Geplante Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse seien aber nicht ehrgeizig genug.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der LINKEN, Jan Korte, forderte über den Koalitionskompromiss hinaus eine Bleiberechtslösung für alle langjährig von Kettenduldungen Betroffenen. Der Präsident des Bayerischen Landkreistages, Christian Bernreiter, sagte, der Bedarf an qualifizierten Fachkräften sei immens, vor allem im Handwerk, in der Gastronomie und der Pflege. Die Bundesregierung müsse ihr Gesetz deshalb zügig vorlegen. dpa/nd
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