Öffnung oder Spaltung?
In der polnischen Hauptstadt zeichnet sich eine Bündelung von linken und rechten Kräften ab
Der Wahlkampf vor den nahenden Kommunalwahlen in Polen wird zunehmend intensiver. Nachdem sich in den Umfragen bereits einige Wahlschlappen für die liberalen PO und Nowoczesna abzeichneten, hat die Opposition offenbar ihre vorübergehende Schwierigkeiten überwunden und auf der Zielgeraden den Erfolgskurs eingeschlagen. In den Großstädten Poznań, Wrocław und Kraków verweisen die von der »Bürgerlichen Koalition« unterstützten Kandidaten deren Konkurrenten aus der nationalkonservativen PiS klar auf Platz zwei. In Gdańsk, wo ein interner Kleinkrieg zwischen dem bisherigen Bürgermeister Paweł Adamowicz und Jarosław Wałęsa tobt, landet der junge Hoffnungsträger der Vereinigten Rechten Kacper Płażyński gar auf dem dritten Rang.
Auch in Warschau vermag Patryk Jaki an seinem Gegner Rafał Trzaskowski (PO) nicht vorbeizuziehen, obwohl der agile PiS-Politiker zwischenzeitlich erfolgreich zur Aufholjagd geblasen hatte. Indessen hofft der 33-jährige Jaki nach seinem jüngsten Coup, dass ihm im Endspurt weitere Wählerherzen zufliegen werden. So hat er unlängst den linken Aktivisten Piotr Guział für seinen Wahlkampf gewinnen können. Bislang galt der 42-jährige als ein politischer Solist, der sich selten für fremde Ziele einspannen ließ. Als fähiger Bezirksbürgermeister des Stadtteils Ursynów in den Jahren 2010-14 hatte sich Guział mühsam Achtung und Respekt erworben.
Der »national-soziale« Schuss in Warschau kann aber auch nach hinten losgehen. Die von Jaki und Guział beabsichtigte parteiübergreifende Öffnung wird bereits von beiden Lagern als Spaltungsmanöver interpretiert. »Eine unerhörte linke Volte von Jaki!«, empört sich das katholisch-konservative Magazin »Polonia Christiana«. Guział, der sich bisher für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, Legalisierung von weichen Drogen sowie ein liberales Abtreibungsrecht einsetzte, sei kein »geeigneter Kandidat« für das Amt des Vizebürgermeisters, heißt es.
Vertreter des linken Spektrums reagierten ebenso erbost. Es sei traurig, dass Guział »nach rechts abdriftet« und das linke Lager noch weiter unter Druck setze, meint Andrzej Rozenek, Spitzenkandidat des Demokratischen Linksbündnisses (SLD) in Warschau. Andererseits steht außer Zweifel, dass Rozenek und andere Mitstreiter mit ihren Alleingängen gleichfalls den »sozialdemokratischen Muskel« erschlaffen lassen und den Wählern nur wenige Stimmen abtrotzen können. Dies scheint Guział erkannt und sich darauf verlegt zu haben, nur noch in den bestehenden Strukturen linke Macht zu entfalten. »Wohnungsnot, Kinderarmut, Mindestlohn, Steuersenkung, Gesundheit - es sind fast ausnahmslos linke Themen, mit denen sich die PiS befasst«, versichert der Krakauer Politologe Kazimierz Kik, den man kaum der Sympathie für die Rechten verdächtigen könnte.
In der Tat zeigen bisherige Erfahrungen in den Kommunen, dass eine ertragreiche Kooperation zwischen der PiS und dem SLD durchaus möglich ist, besonders im Kontext sozialer Reformen. Guział ist nicht der einzige, der gegen den Chor linker Bedenkenträger einen scheinbar unlösbaren Knoten zerschlägt. Auch der ehemalige Premier Leszek Miller (SLD) war einer Koalition mit der PiS nicht sonderlich abgeneigt. Diese Entwicklung ist geprägt von einem allmählichen Rückzug der linken Szene aus der totalen Opposition, die jedwede Annäherung an die PiS abstraft. Ein Lied davon singen kann der linke Publizist Rafał Woś, der in seiner Kolumne der Wochenzeitung »Polityka« Jarosław Kaczyński als »Sozialdemokraten« bezeichnete.
Die Reaktionen im liberalen Lager fielen scharf aus, woraufhin das PO-nahe Blatt die Zusammenarbeit mit Woś aufkündigte. Auch wenn einige junge Akteure zuletzt dem Charme der großen Politik erlegen sind - die Skepsis linker Protagonisten wird getrieben von dem Unbehagen, dass dem SLD und anderen kleinen Parteien durch eine politische Allianz mit der Bürgerplattform ein Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit droht. Doch wäre ein national-soziales Bündnis in Warschau überhaupt möglich, wo der Streit um die Justizreform eigentlich keine taktischen Instrumente im Machtkampf zulässt? Kommentar Seite 4
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