Landwirte wollen dem Biber an den Pelz
Bauernbund fordert ganzjährige und flächendeckende Jagd auf die geschützten Tiere - Naturschützer sehen darin keine Lösung
Biber richteten in diesem Jahr wenig Schaden an. Das gibt der brandenburgische Bauernbund freimütig zu. »Das lag allerdings nur daran, dass 2018 Überschwemmungen mangels Regen fast unmöglich waren«, erklärt Vorstand Lutz Wercham am Donnerstag. Die Nager vermehren sich jedoch unvermindert weiter, beklagt der Ackerbauer aus Wilhelmsaue im Oderbruch. In den kommenden Jahren sei deswegen mit einer Versumpfung des Landes zu rechnen, warnt Wercham.
Die Lösung aus Sicht des Bauernbundes: Wo die Naturschutzbehörden bislang genehmigen, Biber einzufangen, soll künftig der Abschuss der Tiere erlaubt sein - ganzjährig und flächendeckend. Es soll extra Anreize für die Jagd auf die unter Artenschutz stehenden Tiere geben, beispielsweise eine Abschussprämie oder die Erlaubnis, die Pelze und das Fleisch zu vermarkten. Wercham sagt: »Der Landwirtschaftsminister sollte Biberpelz und Biberbraten als regionale Spezialitäten auf der nächsten Grünen Woche vorstellen.« An der Biberplage zeige sich das ganze Versagen der märkischen Naturschutzpolitik, findet der 32-Jährige. »Wenn eine Art nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, muss sie zügig reguliert werden - mit jedem Jahr der Untätigkeit steigt der Aufwand dafür weiter an, und wir Landwirte haben es auszubaden.«
Etwa 3000 Biber leben in Brandenburg, davon ein Drittel im Landkreis Märkisch-Oderland. Im Jahr 1990 galt der Elbebiber als praktisch fast schon ausgestorben. Es wurde ein Artenschutzprogramm aufgelegt, erinnert sich Jens-Uwe Schade, Sprecher des Umweltministeriums. Inzwischen hat sich die Population jedoch gut erholt, ihr guter Erhaltungszustand ist bereits offiziell festgestellt. Darum müssen - anders als beim Wolf - beim Biber keine Einzelfallentscheidungen mehr getroffen werden.
Denn natürlich gibt es Schwierigkeiten. Das will Schade gar nicht verniedlichen. Biber fällen Bäume, stauen Bäche an, bis Felder, Wiesen und Grundstücke unter Wasser stehen, wühlen sich unter Straßen oder in Deiche hinein. Aber es gibt Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Auf Antrag der Landkreise können Biberbaue zerstört und Biber eingefangen, als letzte Maßnahme sogar auch abgeschossen werden. In Deiche werden inzwischen Gitter eingebaut, die ein Hineinwühlen verhindern, damit die Deiche für den Ernstfall eines Hochwassers standfest bleiben. Es gibt auch Ausgleichszahlungen für verursachte Schäden bei der Fischzucht in Teichen.
Eine am 30. April 2015 erlassene Biberverordnung regelt den Umgang mit den Tieren. »Ich gehe davon aus, dass das Instrument der Biberverordnung wirkt«, sagt Schade. »Wir haben nicht alle Probleme gelöst, aber die Situation entschärft.« Das ist sein Eindruck. Etwas anderes hat er bislang nicht gehört. Sollte sich nun allerdings herausstellen, dass die geltende Biberverordnung wirklich nicht mehr ausreiche, so könnte das Umweltministerium nachbessern. »Wir sind offen für neue Ideen«, versichert Schade. Nach seiner Einschätzung verläuft die Front nicht eindeutig zwischen Bauern und Naturschützern. Es gebe durchaus Naturschützer, die auf den Biber sauer sind, wenn er dafür sorgt, dass eine Wiese mit Orchideen absäuft.
»Der Bauernbund ist immer schnell beim Schießen, aber das ist kein Mittel, mit den Tieren in unserer Heimat umzugehen«, findet Carsten Preuß. Er ist Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und sitzt für die LINKE im Landtag. Biber zu töten, wäre keine Lösung, ist Preuß überzeugt. In Lebensräume, die für den Biber interessant sind, würden nach Abschüssen immer neue Tiere nachrücken. Folgt man der Logik des Bauernbundes, so müssten diese dann ebenfalls getötet werden. Das würde also auf eine Ausrottung hinauslaufen.
Dabei dürfe der Biber nicht allein als Problem gesehen werden, meint Preuß. Wenn die Tiere Wasser anstauen und damit in der Landschaft zurückhalten, so sei dies in Trockenzeiten positiv zu sehen. Natürlich habe das unter Umständen auch negative Folgen. Damit müsse umgegangen werden. Da gibt es für Preuß nichts zu deuteln. Als Agraringenieur hat er prinzipiell durchaus Verständnis für die Sorgen der Bauern. Als er noch selbst in der Landwirtschaft tätig war, da bereitete der Biber allerdings keine Probleme. Damals gab es nur sehr wenige Exemplare.
Der Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke (Grüne) würde sich am liebsten überhaupt nicht zu dem Thema äußern. »Es ist sowieso Nonsens«, sagt er. »Ich würde mir wünschen, dass der Bauernbund zu einer sachlichen Debatte zurückkehrt, anstatt die Stimmung bei Wolf, Biber und Kormoran immer weiter anzuheizen.« Kommentar Seite 11
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