Goldene Zeit kehrt nicht zurück

Nordbayerns letzter Kneippkurort kämpft mit bescheidenen Mitteln um seine Existenz

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit Wehmut erinnert man sich noch drei Jahrzehnte später an jene goldenen Zeiten, die einigen oberfränkischen Kurbädern die deutsche Teilung beschert hatte. In Scharen rückten seinerzeit Westberliner an, um hier ein paar Tage frische Landluft zu atmen. Mit dem Fall der Mauer war es damit aber schnell aus. Nun lockten wieder Spreewald oder Usedom - und für die Hoteliers, Bademeister und Kurärzte zwischen Hof und Bayreuth begann das große Klagen. In Größenordnungen verwaisten Kliniken und Herbergen, die Immobilienpreie fielen ins Bodenlose.

Mancher Kurort, über dem bis heute der morbide Charme von Jugendstil und Biedermeier liegt, fing sich wieder. So werben die fünf Heilbäder Bad Rodach, Bad Steben, Bad Staffelstein, Weißenstadt und Bad Alexandersbad nun unter dem Label »Die 5 KurFranken« mit einem übergreifenden Gesundheits- und Wellnessangebot. Und da die Preise erschwinglicher als andernorts gerade in Bayern sind, kommen doch wieder mehr Leute.

Doch es gibt Kurstädte in Oberfranken, die bis heute kaum die Kurve kriegen. So etwa Bad Berneck, selbst wenn man sich hier gern noch als »Perle des Fichtelgebirges« wähnt. Der beschauliche Ort, den viel Wald, trutziger Fels und die rauschende Ölschnitz rahmen, lud ab 1930 zu Kneippkuren. 1950 wurde man Bad. Doch nachdem bereits 1974 die Bahn den Kurort von ihrem Netz abschnitt und damit spürbar Gästeeinbußen verursachte, folgte 1989 der Todesstoß für das Kurwesen. Denn schon zu Jahresbeginn verfügte der damalige Gesundheitsminister Norbert Blüm Reformen, die in der gesamten Alt-BRD die Heilbäder in den Niedergang trieben.

Noch immer erinnert der Kurpark unterhalb von Burg Hohenberneck mit seinen weißen Bauten daran, dass hier mal Geld verkehrte. Noble Hotels, historische Fassaden und kunstvolle Firmenschilder an Hauswänden tun ein Übriges. Doch nicht nur viele Häuser und Läden stehen längst leer, auch immer mehr Herbergen. Selbst das mondäne Hotel Bube - von Altgestrigen noch immer verehrt, weil hier Hitler wiederholt logierte - sucht schon länger einen Betreiber. Auch das einstige Postamt schräg gegenüber steht leer, ebenso das Kurhaus dahinter. Andere Hotels, die noch vermieten, so das Heissinger oder das Blüchersruh, stehen zum Verkauf. Zwar fänden sich auch Interessenten, meist von außerhalb, doch kaum wirklich Käufer, bedauert Martin Langer, dem das Blüchersruh gehört. Denn sie bekämen den Kauf nicht finanziert: Den Banken fehle zu oft die Sicherheit für eine Invention gerade in Bad Berneck.

Auch Interimslösungen wie Flüchtlingsunterkünfte in bester Marktlage sorgen nicht für rückkehrende Vitalität. Um diese sorgte sich stattdessen seit 2014 eine Forschergruppe der Universität Erlangen-Nürnberg. Studenten kartierten den Leerstand, recherchierten in der Region zum aktuellen Leumund von Bad Berneck und befragten Bewohner und Entscheider zu ihren Sichten, wie sich das 4300-Seelen-Städtchen am eigenen Schopf aus der Krise ziehen könnte; in kleinen Schritten und mit bescheidenen Mitteln.

Ein erstes Fazit war schnell klar: Der Kur-Tourismus kehrt nicht zurück. Doch von einem unaufhaltsamen Niedergang sei auch nicht auszugehen, so Prof. Tobias Chilla, der das EU-geförderte Unterfangen leitete. Er sah eher Chancen im wiederzubelebenden Einzelhandel oder im Wellness-Tourismus. Vier Jahre später existiert auf Basis auch jener Studie ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK), das für Bad Berneck eben jene bescheidene Hoffnung in kleinen Schritten verheißt. Immerhin flossen in diese von Architektur- und Stadtplanungsbüros entwickelte Strategie über 500 Bürgerideen zu allen Bereichen des Stadtlebens. Drei Projekte ragen dabei heraus: authentisch sanierte Hausfassaden, ein Mehrgenerationenhaus sowie ein künftiges Burgen-Freiland-Museum, das deutschlandweit ausstrahlen soll. Mit letztem bewirbt sich Bad Berneck gerade für das Bundesprogramm »Nationale Projekte des Städtebaus«.

Rund 1,52 Millionen Euro flossen so schon aus diversen Städtebautöpfen von Bund und Land in Nordbayerns letzten Kneippkurort. Denn fast alle Vorhaben werden mit 80 bis 90 Prozent bezuschusst. Ob sich Bad Berneck damit wirklich neu erfindet, wie man es hier erhofft, ist indes unklar. Denn mancher Makel ist hausgemacht. So waren es langjährige Bummeleien im Rathaus, die den Betreiber des Kurhauses in die Unwirtschaftlichkeit trieben. Und als 2017 SPD-Stadtrat Richard Schneider nach 33 Jahren das Handtuch warf, offenbarte er damit gleich ein halbes Dutzend finanzielle Ungereimtheiten: Da schossen etwa Kosten für Feuerwehrhäuser, Hochwasserschutz oder Brücken entgegen aller Planung exorbitant in die Höhe. Und während man wegen »ein paar hundert Euro für die Mütterberatung stundenlang diskutiert« habe, so Schneider, hätten die Räte von CSU, SPD und Freien Wählern »bei Fünf-Millionen-Projekten schnell die Hand gehoben«.

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