- Politik
- Bundestagswahl
BSW tastet sich an 5-Prozent-Hürde
218 Stimmen mehr in Brandenburg, Verwechslung mit Bündnis Deutschland auch in Nordrhein-Westfalen
Die Bündnis Deutschland bezeichnet sich selbst als freiheitlich-konservativ und befürwortet Waffenlieferungen in die Ukraine. Ausgerechnet dieser Splitterpartei sind in Brandenburg – und mindestens auch in Nordrhein-Westfalen – nach der Bundestagswahl am 23. Februar Stimmen zugeschlagen worden, die eigentlich dem BSW hätten zugerechnet werden müssen.
Die 2022 gegründete Kleinpartei Bündnis Deutschland stand wegen ihres ähnlichen Namens auf den Wahlzetteln direkt über dem Bündnis Sahra Wagenknecht und bei der Meldung der ausgezählten Stimmen aus den Wahllokalen sind einige Wahlhelfer in der Zeile verrutscht. So hatte das Bündnis Deutschland in einem Wahllokal in der Stadt Strausberg dann angeblich 45 Stimmen erhalten und das BSW keine einzige. Da das Bündnis Deutschland jedoch im Land Brandenburg nur 0,25 Prozent der Stimmen erhielt, das BSW jedoch 10,7 Prozent, klingt ein solches Missverhältnis nicht plausibel. Die Nachprüfung ergab: Tatsächlich war das BSW in dem betreffenden Wahllokal 44 mal angekreuzt worden und das Bündnis Deutschland nur einmal. Ähnliche Fehler traten auch in zwei Briefwahllokalen in Cottbus und Finsterwalde auf, wo es zunächst fälschlicherweise 82 zu 0 und 56 zu 1 für das Bündnis Deutschland gestanden hatte. Außerdem ist ein solcher Fehler aus Uebigau-Wahrenbrück aufgefallen.
Insgesamt 218 zusätzliche Stimmen sind so noch in das endgültige Ergebnis für Brandenburg eingeflossen. »Selbstverständlich soll das nicht vorkommen«, gesteht Landeswahlleiter Josef Nußbaum. Aber dafür gebe es ja Überprüfungen, um Fehler noch korrigieren zu können. Lediglich 0,012 Prozentpunkte weicht das am Freitag für Brandenburg festgestellte endgültige Wahlergebnis für das BSW von den vorläufigen Zahlen vom Wahlabend ab. Die Nachrichtenagentur dpa zitiert Nußbaum mit den Worten, dies liege »prozentual weit unterhalb dessen, was normalerweise bei ähnlich gelagerten Fällen an Differenzen auftritt«.
Nußbaums Sprecher Christopher Sokol zufolge gab es in drei Fällen Übermittlungsfehler in der Wahlnacht, doch die Kreiswahlausschüsse hatten das richtige Ergebnis festgehalten. In einem Fall – es war der in Strausberg – habe es eine Neuauszählung gegeben. »Die Prüfungen der Landeswahlleitung haben keine weiteren hier in Rede stehenden Fälle ergeben«, versichert Sokol auf nd-Nachfrage. Jetzt könne eine Wahlprüfung nur noch auf Einspruch erfolgen. Jeder Wahlberechtigte könne seinen begründeten Einspruch innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag schriftlich beim Bundestag einreichen. Kreis- oder Landeswahlleiter wären dafür die falsche Adresse.
»Nur durch eine komplette Nachzählung aller Wahlbezirke, auch in Brandenburg, kann gezeigt werden, dass das BSW tatsächlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist.«
Stefan Roth BSW-Landesgeschäftsführer
Eins hat das BSW mit der minimalen Ergebniskorrektur in Brandenburg schon einmal erreicht: Es liegt im Bundesland jetzt mit 10,71 Prozent doch knapp vor der Linken. Ohne die 218 Stimmen lag das BSW noch hauchdünn zurück. Brandenburgs Linke hat 176 224 Stimmen erhalten und damit ein Ergebnis von 10,70 Prozent erzielt.
Doch das ist ein rein symbolischer Sieg für das BSW. Eigentlich geht es der Partei um den mit 4,97 Prozent denkbar knapp verfehlten Einzug in den Bundestag. Nur 13 435 Stimmen fehlten bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde. »Umgerechnet auf Brandenburg bedeutet dies ein Fehlen von etwa 400 Stimmen«, sagt BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth. Das zeige, dass die 218 zusätzlichen Stimmen keine Kleinigkeit seien. »Nur durch eine komplette Nachzählung aller Wahlbezirke, auch in Brandenburg, kann gezeigt werden, dass das BSW tatsächlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist«, argumentiert Roth. Er meint, es könnten über die offenkundigen Verwechslungen mit dem Bündnis Deutschland hinaus noch weitere Stimmen für das BSW entdeckt werden, die nicht gezählt wurden. »Vor diesem Hintergrund wird das BSW die Wahlergebnisse in Brandenburg weiter untersuchen und strebt eine komplette Neuauszählung der Bundestagswahl auf Bundesebene an.«
In einem Wahllokal in der westfälischen Stadt Soest ist ebenfalls eine Verwechslung mit dem Bündnis Deutschland aufgefallen. Die Korrektur ergab 13 Stimmen mehr für das BSW. Die Landeswahlleitung lässt nun bis zum 11. März in allen 64 Bundestagswahlkreisen von Nordrhein-Westfalen das Ergebnis nachprüfen. In Brandenburg, das deutlich weniger Einwohner zählt, gibt es zehn Wahlkreise.
Schafft es die Wagenknecht-Partei doch noch in den Bundestag, hat das Auswirkungen auf die Koalitionsverhandlungen. CDU und SPD hätten dann nämlich zusammen keine Mehrheit mehr im Parlament und müssten darüber nachdenken, zusätzlich die Grünen in die Regierung zu holen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.