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Rote Fahnen auf Palästen
Peter Haumer erinnert an ein österreichisches Revolutionskapitel
Der bevorstehende 100. Jahrestag der Novemberrevolution in Deutschland sollte nicht verdrängen, dass 1918/19 auch andernorts eine emanzipative Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft auf der Tagesordnung stand. Auch in Österreich wehten rote Fahnen über Adelspalästen. Ende 1918 brach als Folge des Ersten Weltkriegs die K.u.K.-Monarchie »rasselnd zusammen«, wie Peter Haumer schreibt. Am Tag der Ausrufung der Republik Österreich demonstrierten Tausende Arbeiter für eine sozialistische Republik. »Sie hatten ganz konkrete Vorstellungen, wie dies zu bewerkstelligen sei: Selbstorganisation in Form der Rätebewegung.«
Peter Haumer: Geschichte der F.R.S.I. Die Föderation Revolutionärer Sozialisten »Internationale« und die österreichische Revolution 1918/19.
Mandelbaum, 260 S., br., 17 €.
Mit seiner »Geschichte der F.R.S.I.« entreißt Haumer die Föderation Revolutionärer Sozialisten der Vergessenheit, in die sie mit der Kriminalisierung und Verfolgung ihrer Akteure nach der Zerschlagung der Revolution geriet. Ihr Kampf um eine neue Gesellschaft wurde zunächst von den Austrofaschisten und nach dem »Anschluss« an das »Deutsche Reich« von den Nazis aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt. Insofern ist dieses Buch eine verdienstvolle, notwendige Pionierarbeit.
Der Autor bietet Einblicke in die Vorgeschichte der Revolution, stellt Akteure vor, skizziert die Ereignisse und benennt die Gründe für die Niederlage. Er beschreibt, wie schon 1915 linke Sozialdemokraten gegen die Burgfriedenspolitik ihrer Parteiführung opponierten. In ihrem machtvollen Januarstreik 1918 protestierten Arbeiterinnen und Arbeiter wichtiger österreichischer Rüstungsbetriebe gegen die sinnlose Fortsetzung des Krieges und gründeten Räte, die Grundlage für die F.R.S.I. Haumer verweist auf den Einfluss der russischen Oktoberrevolution von 1917 auf auch Anarchisten und Anarchosyndikalisten.
Nach dem Januarausstand fielen die Linken wieder in gegenseitige Schuldvorwürfe zurück, bis im Laufe des Jahres 1918 die revolutionäre Welle erneut an Schwung gewann und Forderungen nach einem sofortigen Frieden ohne Annexionen artikuliert wurden. Am 3. November 1918 gründete sich die Kommunistische Partei Deutsch-Österreich, Wochen vor der deutschen KP. Doch nicht sie, sondern die F.R.S.I. war zunächst die treibende Kraft der Revolution in Österreich. Schon mit dem Begriff Föderation wird deutlich, dass es sich um einen dezentralen Zusammenschluss linker Gruppen handelte, die für eine sozialistische Zukunft kämpften.
Julius Dickmann, einer der wichtigen Vertreter des Rätegedankens in Österreich, beschrieb die Differenzen zur KPÖ: »Auch wir sind Anhänger der kommunistischen Gedanken. Auch wir orientieren uns an der Russischen Revolution, aber wir lehnen es ab, den russischen Kommunismus fix und fertig auf unsere Verhältnisse zu übertragen.«
Haumer zeigt, wie eng das Schicksal der Revolution in Österreich mit der bayerischen und ungarischen Räterepublik verknüpft war. Deren blutige Zerschlagung stärkte auch die reaktionären Kräfte in Österreich, woraufhin die Mehrheit der F.R.S.I. im Mai 1919 die Fusion mit der KPÖ beschloss. Manche ihrer Aktivisten wie Julius Dickmann blieben jedoch parteilos. Fast erblindet wurde der Rätekommunist 1942 von den Nazis ermordet.
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