»Kein Koscher-Stempel für Antisemiten«

24 AfD-Mitglieder gründeten Vereinigung »Juden in der AfD« / 250 Gegendemonstranten in Frankfurt am Main

  • Lesedauer: 3 Min.

Wiesbaden. Mitglieder der AfD haben am Sonntag in Wiesbaden eine Vereinigung »Juden in der AfD« (JAfD) gegründet. Der Gruppe gehörten 24 Personen an, sagte der hessische AfD-Landessprecher Klaus Herrmann nach der Gründungsversammlung. Ein Drittel von ihnen stamme aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Zur Vorsitzenden der Vereinigung sei die Ärztin Vera Kosova (Leinfelden-Echterdingen) gewählt worden, zu stellvertretenden Vorsitzenden Wolfgang Fuhl (Lörrach) und Artur Abramovych (Bamberg).

Voraussetzungen zur Mitgliedschaft in der JAfD seien entweder die religiöse oder die ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit zum Judentum, erläuterte Abramovych. Auch zum Judentum übergetretene AfD-Mitglieder könnten aufgenommen werden. Über den Beitritt entscheide letztlich der Vorstand.

Siebzehn jüdische Organisationen hatten im Vorfeld scharf gegen die Gründung protestiert: »Die AfD vertritt keinesfalls die Interessen der jüdischen Gemeinschaft«. Die Partei sei »ein Fall für den Verfassungsschutz, keinesfalls aber für Juden in Deutschland«. In der AfD hätten »der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause«, heißt es in einer Erklärung.

Am Wochenende hatte sich auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, negativ über die Gründung geäußert. Trotz jüdischer Parteimitglieder sei die AfD antisemitisch und propagiere ein Programm, das jüdisches Leben unmöglich mache. Die Partei sei gegen die rituelle Beschneidung und gegen das Schächten von Schlachttieren, sagte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden gegenüber Medien.

Die Gründer des Kreises »Juden in der AfD« weisen dies zurück. »Dass sich in den Reihen der AfD einzelne tatsächliche Antisemiten, etwa Wolfgang Gedeon (...), finden, leugnen wir nicht; nur wird in der öffentlichen Wahrnehmung der Einfluss dieser einzelnen Mitglieder maßlos überschätzt«, heißt es in der Grundsatzerklärung. Man sehe in dem »Wunsch der AfD danach, dass Deutschland wieder eine selbstbewusste Nation werden möge, durchaus keinen Widerspruch zu jüdischen Interessen«, so die Erklärung.

Am Sonntag hatten nach Polizeiangaben rund 250 Menschen auf dem Frankfurter Goethe-Platz gegen die Gründung der JAfD demonstriert. Dazu aufgerufen hatte die Jüdische Studierendenunion Deutschland. Wer jüdisch sei, könne der AfD nicht angehören, sagte deren Präsidentin Dalia Grinfeld. Die Vorsitzende warnte vor einer Instrumentalisierung durch die Rechtsaußenpartei. »Kein Koscher-Stempel für Antisemiten und Rassisten«, forderte sie.

Nach Ansicht des Leiters der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, ist es »wenig überraschend, dass auch Jüdinnen und Juden nicht immun gegen rassistische, muslimfeindliche, homophobe oder andere menschenverachtende Positionen sind«.

Elio Adler vom jüdischen Verein »WerteInitiative« aus Berlin sagte, die Partei benutze Juden als »Feigenblatt für plumpen AfD-Rassismus«. Die vermeintliche Juden-, beziehungsweise Israelfreundschaft diene »zur Legitimation, um gegen Muslime zu agitieren«. Auch Marcus Funck vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin teilt diese Einschätzung. »Als Juden sind sie der AfD von bestenfalls strategischem Interesse: als nützliche Idioten im antimuslimischen Kulturkampf«, schreibt er im »nd«. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wies daraufhin, dass die AfD antisemitische Ausfälle in ihren Reihen zumindest dulde. Das Engagement von Juden innerhalb der AfD werfe daher »einige Fragezeichen auf«. nd/Agenturen

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