Bosnien stimmt für den Stillstand

Kroatenführer Dragan Covic größter Wahlverlierer

  • Thomas Roser, Sarajevo
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast alles bleibt nach der Wahl im Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina wie es war. Schwache Institutionen, starke Parteien: Eindrücklich demonstrierten Bosniens routinierte Stimmenjäger in der Wahlnacht, wer in dem verschachtelten Parteienstaat das Sagen hat. Während die Zentrale Wahlkommission (CIK) in auch Stunden nach Schließung der Wahllokale noch immer keine Ergebnisse zu veröffentlichen vermochte, feierten die vertrauten Platzhirsche mit den von ihren Parteien bekannt gegeben Teilauszählungen schon lange vor Mitternacht ihren Sieg.

Seine SDA habe auf allen Fronten gesiegt »und so muss es auch sein«, verkündete in Sarajevo zufrieden Parteichef Bakir Izetbegovic. Zur Genugtuung hat der starke Mann der muslimischen Bosniaken allen Grund. Das Rennen um seine Nachfolge als bosniakischer Vertreter im Staatspräsidium hat sein Strohmann Sefik Dzaferovic gemacht. Und seine Frau Sebija Izetbegovic hat bei den Wahlen für das Teilstaatsparlament die meisten SDA-Stimmen erzielt. Auch im fernen Banja Luka konnte mit Milorad Dodik der mächtigste Mann im Teilstaat der Republika Srpska triumphieren. Sein Sieg »sei klar wie eine Träne«, kommentierte er die Kür zum serbischen Vertreter in Bosniens dreiköpfigen Staatspräsidium.

Eine hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption, Kriminalität und Abwanderung: Zur Protestwahl hätten die Bewohner des Vielvölkerstaats eigentlich allen Grund gehabt. Aber dennoch bleibt nach dem Wahlmarathon für das Präsidentenamt, das nationale Parlament, das Teilstaatsparlament und die regionalen Kantone in Bosnien fast alles wie es war. Ob aus der von den Stimmenjägern gezielt geschürten Angst vor den anderen oder um den Arbeitsplatz: Mehrheitlich und ungewöhnlich einträchtig haben die drei größten Gruppen des Landes Muslime, Serben und Kroaten erneut für ihre vertrauten nationalistischen Leitwölfe - und den Stillstand gestimmt. Nur die unerwartete deutliche Schlappe des kroatischen HDZ-Chefs Dragan Covic könnte das labile Staatslabyrinth in noch tiefere Krisenabgründe führen.

80 Prozent der kroatischen Wähler hätten ihn und die HDZ gewählt, grantelte Covic über die Niederlage beim Rennen um den kroatischen Sitz im Staatspräsidium gegen Zeljko Komsic von der multiethnischen DF. Es gehe nicht an, dass die Bosniaken für die Kroaten deren Vertreter wählten, wütete Covic: Dies werde eine »nie gesehene Krise« auslösen.

Tatsächlich hatte Komsic mit der Schreckvision, dass die Zweckpartner Covic und Dodik im Staatspräsidium gemeinsam den Zentralstaat zerlegen könnten, auch viele Stimmen von Bosniaken auf sich vereinen können. Versuche der HDZ, im neuen Wahlgesetz der muslimisch-kroatischen Föderation festschreiben zu lassen, dass Bosniaken keine Kroaten wählen dürfen, waren vor den Wahlen am Widerstand der bosniakischen Parteien gescheitert: Sie hatten befürchtet, dass mit der ethnischen Aufteilung von Wahldistrikten der von der HDZ angestrebten Schaffung eines eigenen kroatischen Teilstaats Vorschub geleistet werden solle.

Da die Verabschiedung eines Wahlgesetzes nicht gelang, hat Covic für die angedrohte Lahmlegung des Staats nun ein starkes Mittel in der Hand. Sollte das Verfassungsgericht auf Antrag der HDZ die Wahl wegen des Fehlens eines Wahlgesetzes für ungültig erklären, könnten weder das Teilstaatsparlament der Föderation noch das im Zentralstaat gebildet werden: Bosnien könnte in diesem Fall »die Mutter aller Krisen« drohen. Doch selbst wenn der politische Super-GAU vermieden werden kann, ist auf allen administrativen Ebenen des labilen Staatsgebildes mit einem monatelangen Koalitionspoker zu rechnen. Egal wie die Fleischtöpfe am Ende verteilt werden, scheint eine Sache sicher: Auch in den nächsten vier Jahren wird ein sich selbst blockierendes Bosnien vermutlich weiter auf der Stelle treten.

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