Demo gegen Rechtsruck ohne »Aufstehen«?

Unterstützerinnen der linken Sammlungsbewegung kritisieren Initiatoren unter anderem wegen Kooperation mit Zentralrat der Muslime

  • Jana Frielinghaus
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 40 000 Menschen werden am Samstag in Berlin erwartet. Ein breites Bündnis von mittlerweile mehr als 500 Organisationen und 4000 Einzelpersonen ruft zu einer Großkundgebung für eine »solidarische Gesellschaft« unter dem Motto »Unteilbar« auf. Die Linkspartei unterstützt das überwiegend bürgerlich-demokratische Bündnis. Im Demoaufruf heißt es unter anderem: »Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. (...) Europa ist von einer nationalistischen Stimmung der Entsolidarisierung und Ausgrenzung erfasst. Kritik an diesen unmenschlichen Verhältnissen wird gezielt als realitätsfremd diffamiert.«

Sahra Wagenknecht mag dies auch als Kritik an sich selbst und an der von ihr mit initiierten linken Sammlungsbewegung »Aufstehen« aufgefasst haben. Denn die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag hat in Artikeln und Interviews betont, dass Migration und Flucht die Situation ärmerer Menschen hierzulande verschärfe, weshalb erstere begrenzt werden müsse. Die Forderung nach Bewegungsfreiheit für Zuwanderer sei unrealistisch.

Während einer Veranstaltung am Dienstag in Berlin hatte Wagenknecht gesagt, im »Unteilbar«-Aufruf dominiere die Forderung nach offenen Grenzen, was sie problematisch finde, weil es Antirassisten ausgrenze, die diese Forderung kritisieren. Die Sammlungsbewegung werde sich »formal« nicht an der Demo beteiligen. Am Mittwochvormittag übermittelte Nachfragen von »nd« zum Thema ließ Wagenknecht auch am Donnerstag bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Kritik am »Unteilbar«-Bündnis haben unterdessen auch die LINKE-Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen und Heike Hänsel geübt. Beide sind bei »Aufstehen« aktiv. Sie monierten am Donnerstag gegenüber dem »nd«, dass zu den Unterzeichnern des Demoaufrufs auch der Zentralrat der Muslime und Einzelpersonen gehören, denen die Politikerinnen eine Nähe zum Nationalismus und Rassismus des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie zur islamistischen Muslimbruderschaft vorwerfen. Außerdem bemängelten beide die Nichtbenennung der Krisenverursacher im Aufruf. Dağdelen findet es »sehr schade«, dass darin »die Bundesregierung für die ständige Schaffung neuer Fluchtursachen durch Rüstungsexporte und Freihandelsabkommen als Akteur weder benannt noch kritisiert wird«. Zugleich betonte sie, sie freue sich, wenn »viele tausend Menschen gegen Rassismus und für eine Erneuerung des Sozialstaats auf die Straße gehen«.

Auf die Frage von »nd«, ob nach ihrer Einschätzung im Bündnis Islamisten beziehungsweise Unterstützer der Muslimbruderschaft eine bedeutende Rolle spielen, antworteten die Politikerinnen nicht. Sie finden es jedoch grundsätzlich falsch, dass der Zentralrat der Muslime, der dubiose Mitgliedsorganisationen hat, dazugehört. »Wer glaubwürdig gegen Ausgrenzung, Nationalismus und Rassismus stehen will, kann nicht mit Einzelpersonen oder Verbänden zusammenarbeiten, die den Islamisten und Rassisten Erdoğan unterstützen«, stellte Dağdelen klar.

Der LINKE-Politiker Fabio De Masi rief unterdessen in einer auf der »Aufstehen«-Facebookseite am Donnerstagnachmittag veröffentlichten Videobotschaft ausdrücklich zur Teilnahme an der »Unteilbar«-Demo auf und kündigte an, er werde dabei sein.

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