- Wirtschaft und Umwelt
- Zulassung vorgeburtlicher Blutuntersuchungen
Wie testen ohne Diskriminierung?
Debatte über ethische Konsequenzen vorgeburtlicher Blutuntersuchungen
Der Bundestag steht vor einer neuen offenen Debatte, in der unabhängig von Fraktionszwängen ein großes ethisches Thema diskutiert werden soll. Es geht darum, ob vorgeburtliche Bluttests auf genetische Schäden zu Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen werden sollen. Diese Tests sind jetzt schon zum Teil als Selbstzahlerleistungen zugänglich, sie betreffen unter anderem Trisomie 21, auch als Down-Syndrom bekannt. Aber die Tests sind nur der Anfang, weitere Blutuntersuchungen auf genetisch verursachte Erkrankungen sind entweder bereits möglich oder stehen kurz vor der Marktreife.
Die Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für das Gesundheitswesen könnte im nächsten Jahr erfolgen. Das Gremium hat zu Recht angemerkt, dass es für die mit derartigen Entscheidungen verbundenen ethischen Konsequenzen nicht zuständig ist.
Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten von CDU, SPD, FDP, der LINKEN und den Grünen nahm das zum Anlass, die parlamentarische und gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Fünf Abgeordnete der genannten Parteien stellten ihr Anliegen am Freitag in Berlin vor. Dabei gibt es in den Fraktionen durchaus verschiedene Schwerpunkte und auch verschiedene Intentionen, zu welchen gesetzgeberischen Entscheidungen sie führen könnte oder sollte.
Nach den Worten der Mit-Initiatorin Corinna Rüffer von den Grünen eint die Gruppe das Anliegen, eine inklusive Gesellschaft weiter zu entwickeln, also eine Gesellschaft, in der niemand nach einem solchen Test fragen würde, weil auch Menschen mit Behinderungen in ihr gut leben können. Rüffer zählte verschiedene, sich schon abzeichnende Positionen in der Debatte auf.
So gibt es die Einschätzung, dass die Tests keinen medizinischen Zweck hätten, also ihre Durchführung nur darauf ziele, ungeborene Kinder mit genetischen Defekten zu entdecken und ihre Geburt zu verhindern. Das sei ein eugenischer Ansatz, der letzten Endes behinderte und kranke Menschen für nicht lebenswert erkläre. Schon aus historischen Gründen seien die Tests deshalb nicht zulässig. Entsprechend äußerten sich schon zuvor viele Menschen aus der Behindertenbewegung, bei der Pressekonferenz in Berlin auch der Schauspieler Sebastian Urbanski vom Inklusionstheater RambaZamba. Er hat selbst das Down-Syndrom und plädiert für die Vielfalt des Lebens und die Annahme verschiedener, besonderer Fähigkeiten von einzelnen Menschen.
Eine weitere Position geht davon aus, die Tests zwar zuzulassen und anzubieten, jedoch weiterhin nur für Risikoschwangerschaften. Das sind jedoch schon jetzt über 70 Prozent aller Schwangerschaften, da zu den Kriterien etwa auch die Altersgrenzen ab 35 bzw. unter 18 Jahren für die Mütter gelten. Zudem wurden die Kriterien auch immer weiter ausgedehnt, so dass bei einer Zulassung der Tests als Regelleistung immer mehr Frauen vor der Entscheidung stehen würden, ob sie ihn in Anspruch nehmen wollen. Eine solche Überprüfung bedarf zudem einer guten Beratung - davor und danach. Unter den Parlamentariern gibt es die Idee, die Beratung zu verbessern und sie aus den Händen der Gynäkologen in die von Kinderärzten oder Elterninitiativen zu legen, die tatsächlich mit Kindern mit Down-Syndrom leben oder zu tun haben.
Eine der spannenden Fragen in dieser Diskussion wird sein, wie man einerseits Tests zulässt, aber andererseits »jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderung vermeidet«, so die LINKEN-Abgeordnete Kathrin Vogler. Bereits jetzt gehe ein großer Druck von den vorhandenen diagnostischen Möglichkeiten aus. Auch die Bundesregierung habe in die Entwicklung des Trisomie-21-Tests eine Million Euro Steuergelder investiert.
Grünen-Politikerin Rüffer wies darauf hin, dass neun von zehn Kindern, bei denen eine Trisomie 21 diagnostiziert werde, abgetrieben werden. Dagmar Schmidt von der SPD wies darauf hin, dass 96 Prozent der Behinderungen und Beeinträchtigungen erst im Laufe des Lebens auftreten und nicht schon zu Beginn genetisch diagnostiziert werden könnten. Die Frage sei, welche gesundheitlichen Normen mit einer Freigabe entsprechender Tests auch für Menschen gesetzt würden, die älter und kränker werden. Die Diskussion dazu sollte nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Gesellschaft stattfinden. Jedoch müssten sich quer durch die Fraktionen erst noch Gruppen bilden, die bestimmte Schwerpunkte in der Debatte setzen. Dieser Prozess steht laut Schmidt noch bevor. Beginnen werde die parlamentarische Debatte vermutlich Anfang 2019.
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