- Politik
- Amad Ahmad
Die Wahrheit herausfinden
Am Samstag wurde der kurdische Geflüchtete Amad Ahmad auf einem Bonner Friedhof beerdigt. Auch die NRW-Landesregierung nahm daran teil und versprach Aufklärung.
Sein Sarg ist bedeckt mit Flaggen der Region Kurdistan, auch ein Bild von Amad Ahmad hängt daran. Die Beerdigung des jungen Mannes hat die kurdische Community in Bonn organisiert. Rund 50 Menschen stehen am Samstag auf dem Bonner Nordfriedhof, um sich von Amad Ahmad zu verabschieden, darunter auch sein Vater, Malak Zaher Ahmad. Er steht mit weiteren Angehörigen vor Beginn der Zeremonie frontal Vertretern der Landesregierung gegenüber. Innenminister Herbert Reul, Justizminister Peter Biesenbach und Vertreter des Landtags sind gekommen »Wer ist der Mörder meines Sohnes?«, steht auf dem Oberteil des Vaters.
Über 10 Wochen war sein Sohn zu Unrecht inhaftiert, weil er verwechselt wurde und ihm niemand geglaubt hat, dass er nicht der Gesuchte ist. Nach einem Brand in seiner Zelle in der JVA Kleve starb Ahmad in einem Bochumer Krankenhaus. Das institutionelle Versagen fällt in die Zuständigkeitsbereiche der beiden Minister. Die Brandursache ist bis heute ungeklärt. Die Begegnung zwischen der Landesregierung und den Angehörigen Ahmads ist zwiegespalten. »Wie kann man den Unterschied zwischen einem Schwarzen und einem Nicht-Schwarzen nicht erkennen? Das hätte man sofort klären können«, kritisiert der Vater.
Auch Rassismus sei ein Grund dafür, dass Amad Ahmad nicht mehr unter ihnen weilt. Der Rechtsanwalt der Familie, Necdal Disli, sagt »nd«: »Es sind individuelle Fehler gemacht worden. Aber es gab in den letzten Monaten von manchen Parteien und Politikern auch eine Kampagne gegen Flüchtlinge«, kritisiert er. Dass Amad Ahmad niemand geglaubt hat, führt er darauf zurück, dass sich dieser Rassismus in den Institutionen niederschlägt.
Vater Ahmad ist wütend darüber, dass die Landesregierung ihn nicht darüber informiert hatte, dass sein Sohn verstorben ist. Das erfuhr er offenbar aus dem Internet: »Ich glaube, wenn wir selbst nicht recherchiert hätten, das man uns nicht benachrichtigt hätte«, sagt er. Viele verschiedene Fragen beschäftigen ihn und die Community nun, allen voran die Brandursache. Dass die Landesregierung an der Beerdigung teilnahm und Aufklärung versprach, sorgt für Hoffnung bei Vater und Angehörigen: »Das sie da waren, ist okay, aber es hält uns nicht davon ab, die Wahrheit herauszufinden«, so Ahmad.
Auch die Minister und Vertreter des Landtages dürften vor Beginn der Zeremonie einige Worte sprechen. Alle sprachen ihre Anteilnahme aus. Heute sei nicht die Zeit um offene Fragen zu besprechen, sondern um zu Gedenken, erklären Reul und Biesenbach am Samstag sinngemäß und versprechen »vollumfängliche« Aufklärung. Dass sich während der Ansprache alle frontal gegenüberstehen, wirkt wie eine Mauer, die zwischen ihnen steht. Als Amad Ahmad von einigen Männern zu Grabe tragen wird, bricht einer in Tränen aus. Minutenlang schluchzt er, zwei andere Männer ziehen ihn vom Grab weg, trösten ihn.
Lesen Sie dazu: Nach Justizirrtum verbrannt
Dass Ahmad überhaupt in Bonn beerdigt wird, war nur eine Notlösung. Seine Mutter konnte der Beisetzung nicht beiwohnen. Eigentlich sollte er nämlich zu Hause, in Afrin, begraben werden. Doch das ist nicht möglich, wie auch verschiedene Vertreter von kurdischen Parteien wie der PYD oder der lokalen kurdischen Gemeinde betonten. Die Türkei hat die Stadt vor wenigen Monaten, auch mit deutschen Panzern, völkerrechtswidrig besetzt. Die Türkei verweigerte Amad Ahmads Mutter die Ausreise nach Deutschland.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.