Orthodoxes Kirchenschisma
Die Ukrainische Kirche löst sich von Moskau
»Es ist ein großer Sieg unseres Volkes gegen die Dämonen aus Moskau. Der Sieg des Guten gegen das Böse, des Lichtes gegen die Dunkelheit.« Mit diesen Worten begrüßte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine bemerkenswerte Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Die wichtigste Instanz der Orthodoxie beschloss auf einer Synode am Donnerstag, dass die orthodoxe Kirche in der Ukraine sich von Moskau loslösen darf. Vorübergehend soll die Führung des Kiewer Patriarchats von Konstantinopel übernommen werden, bevor die ukrainischen orthodoxen Kirchen gemeinsam eine einheitliche Kirche gründen, die wiederum einen unabhängigen Status erhalten soll.
Die bis heute einzige anerkannte Kirche in der Ukraine ist die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, die Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau ist. Dies sorgte zwar immer wieder für Kontroversen, problematisch wurde die Konstellation allerdings erst 2014 mit der russischen Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass. Die Russisch-Orthodoxe Kirche unterstützte die Linie der russischen Regierung in der Ukraine und trat darüber hinaus als treuer Gefolgsmann Wladimir Putins auf, was in Kiew nicht gut ankam. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats, die sich im Jahr 1992 vom Moskauer Patriarchats losgelöst hatte, wurde von Konstantinopel nie anerkannt. Für diesen Spaltungsversuch belegte das Moskauer Patriarchat Patriarch Filaret im gleichen Jahr sogar mit einem Kirchenbann.
Aber auch Filarets Exkommunizierung wurde am Donnerstag in Istanbul aufgehoben. Der 89-Jährige, der gute Beziehungen zur aktuellen ukrainischen Staatsführung pflegt, soll aller Voraussicht nach zum Oberhaupt der neuen einheitlichen Kirche ernannt werden. Für ihn wäre das die Krönung einer langen und teils umstrittenen Karriere.
Und eine weitere spektakuläre Entscheidung der Synode dürfte in Moskau großen Ärger hervorrufen: Die Annexion des Kiewer Metropolinats durch Moskau, die im Jahr 1686 erfolgte, wurde von Konstantinopel für illegal erklärt. Diese Entscheidung wurde unter anderem als Grundlage herangezogen, die Kirche des Kiewer Patriarchats als kanonisch anzuerkennen.
»Für solche Aktionen sollte der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. selbst exkommuniziert werden«, hieß es in der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau. Es handele sich um eine katastrophale Entscheidung, die grundsätzlich Kirchenspaltungen legalisiere. Auch Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow zeigte sich besorgt und sprach davon, dass Russland die Gläubigen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine so weit es geht schützen werde. Ein solches Statement nehmen viele Menschen in der Ukraine als Drohung wahr, da Russland bereits die Annexion der Krim im März 2014 ausgerechnet mit der Notwendigkeit die russischsprachige Bevölkerung zu schützen, begründete. Dass es aber diesmal wieder zu einer solchen Situation kommt, ist eher unwahrscheinlich.
Für die Russisch-Orthodoxe Kirche bedeutet die Entscheidung von Konstantinopel auf jeden Fall einen Einflussverlust. Die weltweit größte orthodoxe Kirche wird dadurch mit großer Sicherheit viele Gläubige und Gemeinden in der Ukraine verlieren. Für den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der sich in diesem Jahr verstärkt für die Unabhängigkeit des Kiewer Patriarchats einsetzte, ist diese Entwicklung dagegen ein großer Coup vor den Präsidentschaftswahlen im März 2019. Erfolgsmeldungen kann Proschenko gut gebrauchen, denn bisher sind seine Umfragewerte äußerst schlecht. Abgesehen vom Versprechen, die Armee aufzurüsten und die Position der ukrainischen Sprache zu stärken, gehört die Kirche zu seinen wichtigsten Wahlkampfthemen. Die Frage ist nur, ob die Eigenständigkeit des Kiewer Patriarchats wirklich die Leute dazu bewegen wird, Poroschenko ihre Unterstützung auszusprechen. Die Ukraine ist zwar auf dem Papier ein überwiegend orthodoxes Land, doch wirklich gläubig sind nur die Wenigsten.
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