- Politik
- Grünen-Erfolg in Bayern
»Da bumpert erst einmal mein Herz«
Grüne im Glück: Sie haben einen fulminanten Wahlsieg eingefahren - und erheben Anspruch auf Plätze am Kabinettstisch
Es ist eine Minute nach 18 Uhr, als auf der Grünen-Wahlparty in der Münchner Muffathalle der Jubel losbricht. Mit zu diesem Zeitpunkt prognostizierten 18,5 Prozent der Wählerstimmen, später laut Hochrechnung 17,9 Prozent, ist sie zweitstärkste Kraft im Münchener Landtag geworden und hat ihr Ergebnis von 2013 damit mehr als verdoppelt.
Als die Werte für die AfD bekannt gegeben werden, wird gebuht. Und ein paar Minuten später macht Eike Hallitzky, Landesvorsitzender der Grünen, klar: »Die Menschen wollen, dass wir regieren.« Die Umfragen hatten es angedeutet, aber die Zahlen sind für viele Grüne dennoch atemberaubend. Um 18.39 Uhr zeigt sich Spitzenkandidatin Katharina Schulze in einer Gesprächsrunde des Bayerischen Fernsehens begeistert: »Da bumpert erst einmal mein Herz.« Die Grünen hätten alle ihre Wahlziele erreicht, darunter das eigene zweistellige Ergebnis und das Ende der absoluten Mehrheit für die CSU. »Dieses Landtagswahlergebnis hat Bayern bereits verändert«, rief Schulze wenige Minuten nach der Hochrechnung unter dem lauten Applaus ihren Anhängern zu.
Landeschef Hallitzky sieht »viele Väter und Mütter« des Erfolgs, allen voran das Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Außerdem habe die Partei eine »klare Botschaft für ein offenes Bayern« gehabt - eine, die auch »zukunftsoptimistisch« sei. Sowohl Hallitzky als auch Schulze machten klar, dass sie in Bayern künftig mitregieren wollen. Sie sei nicht in die Politik gegangen, um »in Schönheit am Spielfeldrand« zu sterben, meinte Schulze. Wenn es um eine proeuropäische und progressive Politik gehe, könne man mit den Grünen reden.
Ein Vorbild gibt es im Nachbarland Baden-Württemberg mit seiner grün-schwarzen Regierung. Dass der Traum von bayerischen Ministerposten sich erfüllt, ist indes keineswegs sicher. Denn auch die Freien Wähler haben sich der CSU als Mehrheitsbeschaffer angeboten. Und nach der Hochrechnung von 19.30 Uhr kamen CSU und Freie Wähler zusammen auf 100 Landtagssitze. Das sind drei mehr als für eine Regierungsbildung mindestens nötig sind.
Wie lässt sich der Siegeszug der Grünen erklären? Dazu beigetragen hat sicherlich der militante Kurs der CSU in der Flüchtlingsfrage, die auch vor der Konfrontation mit der Bundeskanzlerin nicht zurückschreckte. Parteichef Horst Seehofer spielte als Bundesinnenminister sogar mit der Karte des Koalitionsbruchs. Doch der Versuch, die AfD in Asylfragen rechts zu überholen und so »Wutbürger« zur CSU zurück zu holen, misslang kräftig.
Zu unchristlich erschien vielen Bürgern im katholischen Oberbayern die gnadenlose Abschiebung auch gut integrierter Flüchtlinge, für die sich auf kommunaler Ebene durchaus auch CSU-Bürgermeister eingesetzt hatten. Zum Seehoferschen Feldzug gegen die Flüchtlinge von Berlin aus kam auf Landesebene ein Markus Söder als Spitzenkandidat, dem man nach all seinem Karrierestreben und innerparteilichen Scharmützeln die Rolle als braver, sich kümmernder Landesvater nicht abnehmen wollte.
Gegenüber dem krawallbereiten Politsenior in Berlin und dem auf Schmusekurs getrimmten fränkischen Machtpolitiker in der Münchner Staatskanzlei gaben die beiden Spitzenkandidaten der Grünen eine erfrischende Alternative ab, die auch für manchen CSU-Anhänger wählbar war. Schulze sah bei Wahlkampfauftritten in ihrem Dirndl so rundum gesund und munter aus, als käme sie gerade vom veganen Müslifrühstück ihrer Familie im Vorortreihenhaus.
Die 33-Jährige kämpft engagiert gegen rechte Tendenzen in Bayern, gegen das neue Parteiaufgabengesetz, gegen eine spezielle bayerische Grenzpolizei, gegen den Kreuz-Erlass von Söder: »Ich glaube, dass wir als tolerante, liberale Partei das Lebensgefühl der Bayern besser treffen als die CSU, die ein Kreuz an jede Behörde nageln lässt«, sagte Schulze in einem Interview. Auch Ludwig Hartmann pflegt das Bild des sympathischen, sachkompetenten Grünen. So profilierte er sich als Ökoaktivist, etwa als Mitbegründer des Netzwerks »NOlympia«, das sich vor Jahren gegen die Münchner Olympiabewerbung engagierte.
Neben der Wirkung der beiden Spitzenkandidaten sehen Experten soziale Veränderungen im Freistaat als Ursache für die Veränderungen. Stefan Wurster, Professor für »Policy Analysis« an der Hochschule für Politik in München hält den Umgang der CSU mit der Flüchtlingsfrage für ein wesentliches Problem: »Die konservativen Wähler, denen das nicht gefällt, haben inzwischen mehrere Alternativen in der politischen Mitte, und die Grünen sind da anschlussfähig geworden.« Zugleich schrumpfe die Wählerbasis der CSU durch demografische Prozesse. Die Bayern seien städtischer geworden. Auch das sei ein Faktor für den Erfolg der Grünen.
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