»Asyl in Deutschland ist eine Falle«
Rodrigue Péguy Takou Ndie: »Die Suchenden« spiegelt das Thema Migration aus afrikanischer Perspektive
Kein Thema bestimmt die Medien hierzulande so sehr wie Flucht und Asyl. Auch auf dem Buchmarkt gibt es immer mehr Titel zu diesem Themenkomplex, wobei nach wie vor die Sachbücher deutscher Autoren überwiegen. Auch wenn die Protestbewegung der Geflüchteten in den letzten Jahren eine deutlichere Medienpräsenz gewonnen hat, kommt die Perspektive geflüchteter Menschen in Buchform nur sehr selten vor. Am ehesten finden sich noch Stimmen aus der arabischen Welt, wie etwa Abbas Khider, dessen Romane nicht nur von der Kritik, sondern auch vom Lesepublikum breit rezipiert werden. Bücher von Geflüchteten aus afrikanischen Ländern sucht man indes vergeblich. Immerhin hat der Unrast-Verlag nun mit »Die Suchenden« von Rodrigue Péguy Takou Ndie nicht nur einen überaus spannenden, sondern auch politischen Roman zum Thema Flucht und Asyl aus afrikanischer Perspektive vorgelegt.
1981 in Kamerun geboren und dort aufgewachsen, lebt er seit 2013 in Deutschland. In Kamerun hatte er Wirtschaftswissenschaften studiert und als freier Autor gearbeitet, ehe er aus politischen Gründen sein Heimatland verlassen musste. Takou Ndie schreibt auf Französisch, seine Bücher erscheinen in Frankreich. »Die Suchenden« ist der erste Roman von ihm, der auch ins Deutsche übersetzt wurde. Darin erzählt ein namenloser Asylbewerber, der in einer Brandenburger Unterkunft gerade den finalen Ablehnungsbescheid erhalten hat und seine Tür gegen die anrückende Polizei verbarrikadiert, die Geschichte seiner Flucht. Dabei holt der Erzähler weit aus und schildert detailliert sein Leben in einem nicht näher bezeichneten afrikanischen Land, erzählt vom lang gehegten Traum, nach Europa aufzubrechen, und welche Rolle diese Migration in der dortigen Gesellschaft spielt.
Es folgt die lebensgefährliche, Monate dauernde Flucht voll absurder Brutalitäten. Angefangen bei den Toten in der Wüste, die sie im heruntergekommenen Wagen des Schleppers sehen, über die rassistischen Polizisten und Grenzbeamten in Nordafrika bis hin zur großen kollektiven Angst vor der Überquerung des Mittelmeeres. Der Erzähler hat Glück und schafft es in einer unglaublich mitreißend geschriebenen Szene, über den spanisch-marokkanischen Grenzzaun in Melilla zu springen. Er kommt nach Barcelona, dann nach Paris, und schließlich folgt die Ankunft im vermeintlich sicheren Deutschland, das sich aber bald als absoluter Albtraum erweist. »Asyl in Deutschland ist eine Falle. Die Zukunft der Asylsuchenden wird im Keim erstickt, beschlagnahmt, ihre Jugend gestohlen wie früher die ihrer Vorfahren. Ganze Generationen opfern ihr Leben auf dem Altar der unmenschlichen und kapitalistischen Ansprüche der sogenannten reichen Länder.«
Takou Ndies Protagonist engagiert sich schließlich in der Protestbewegung der Geflüchteten. Das hilft ein Stück weit, aber die Realität der Ämter und bürokratischen Verfahren holt ihn immer wieder ein. »Die Suchenden« fängt den Alltag und die Verzweiflung asylsuchender Menschen in Deutschland auf verstörende Weise ein. Neben der Geschichte des namenlosen Erzählers fächert das Buch aber auch andere zahlreiche Schicksale auf - von Nachbarn aus dem Wohnheim, von Freunden und Verwandten. Dadurch bietet der Roman ein ganzes Panorama zu diesem Thema. Es geht um Solidarität, aber auch um Missgunst und Streit.
Rodrigue Péguy Takou Ndie beschönigt nichts in seinem tempo- und handlungsreichen Buch, das überfällig ist, um endlich eine andere, auch literarische Perspektive auf dieses aktuell so wichtige Thema zu bekommen, das medial oft viel zu oberflächlich abgearbeitet wird.
Rodrigue Péguy Takou Ndie: Die Suchenden. Roman. A. d. Französischen v. Inga Frohn unter Mitarbeit v. Lena Müller. Unrast-Verlag, 176 S., br., 14 €.
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