- Wirtschaft und Umwelt
- Privatisierung von Krankenhäusern
Und was ist mit der Daseinsvorsorge?
Verfassungsklage könnte der Privatisierung im Krankenhausbereich Einhalt gebieten
Die Tendenz könnte nicht klarer sein: Seit Jahren ist die Anzahl öffentlicher und gemeinnütziger Krankenhäuser in Deutschland rückläufig, während die Anzahl der privaten stetig steigt. Mittlerweile sind 720 von 1942 Kliniken in privater Hand.
Lässt sich der Trend noch umkehren? Ja, glauben die Teilnehmer des »Kongresses gegen die Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung«, den das Bündnis »Krankenhaus statt Fabrik« am Wochenende im Stuttgarter Gewerkschaftshaus mit einem breiten Spektrum an Themen und Veranstaltungen durchführte. Das seit 2015 bestehende Bündnis kritischer Ärzte, von Gewerkschaftern und Linkspolitikern sowie Attac wendet sich gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens in Deutschland und fordert, dass Krankenhäuser keine Wirtschaftsunternehmen mehr sind, sondern - wie einst - Einrichtungen der gesellschaftlichen Daseinsfürsorge.
Leicht ist dieses Unterfangen nicht. Denn die Privatisierung ist weit fortgeschritten. Uwe Alschner sieht trotzdem Chancen - und zwar auf dem Rechtsweg. Der Geschäftsführer des Interessenverbands Kommunaler Krankenhäuser e. V. (IVKK) bereitet gerade eine Verfassungsklage vor. Sie soll die Karlsruher Richter davon überzeugen, dass die kommerzielle Ausrichtung von Krankenhäusern nicht mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes vereinbar ist.
Den Prozess müsse man sorgfältig vorbereiten, denn Verfassungsklagen seien kostspielig, erklärte Alschner bei dem Kongress in Stuttgart. Denkbar sei etwa die Klage eines Patienten, der belegen kann, dass seine Behandlung in einem privat betriebenen Krankenhaus gegen die in Artikel 1 des Grundgesetzes postulierte Menschendwürde verstößt.
Alschner rief gleichzeitig die Beschäftigten dazu auf, die Klinikchefs nicht zu verteufeln: »Das sind in vielen Fällen gutwillige Leute, die keine andere Möglichkeit haben, als irgendwie im System zu lavieren. Sobald die ins Defizit laufen, verlieren sie selbst ihren Job.« Es gehöre zur Strategie der Konzerne, Beschäftigte und Klinikführung gegeneinander auszuspielen. Dabei komme ihnen zugute, dass Ärzte und Pfleger meist nicht aus Profitgründen arbeiteten, sondern aus innerem Antrieb. »Die Mitarbeiter legen bei jedem Streik einen gigantischen emotionalen und ethischen Spagat hin.«
Durch die Verhältnisse in den Kliniken jedenfalls gerieten Beschäftigte unter massiven Druck, berichtete der Verbandschef. Der Trend zur Kommerzialisierung des Gesundheitswesens sei jedoch nicht vom Himmel gefallen und zeichne sich schon seit Jahrzehnten ab. Die seit den 1980er Jahren vorherrschende Philosophie der Deregulierung habe nun eben auch den deutschen Gesundheitssektor erreicht.
Hartnäckig halte sich dabei die Annahmen, die Privaten könnten es einfach besser. Das sei jedoch eine längst widerlegte Mär, sagte Alschner. »Die Profitabilität ist bei staatlichen Krankenhäusern doppelt so hoch wie bei privaten.« Private Konzerne profitierten indes massiv von öffentlichen Geldern.
Wie rein auf Profitmaximierung ausgerichtete Gesundheitskonzerne funktionieren, zeigte Achim Teusch am Beispiel der mittlerweile zum Fresenius-Konzern gehörenden Helios-Kliniken. Teusch ist Arzt und war lange Betriebsratsvorsitzender der Helios-Kliniken in Siegburg. Durch eine gefräßige Zukaufstrategie handelte sich Fresenius-Helios das zweifelhafte Prädikat der »Deal-Maschine« (»Handelsblatt«) ein: Der Konzern kauft seit Anfang des Jahrtausends alle zwei bis drei Jahre Kliniken und Gesundheitsunternehmen für Milliardenbeträge im In- und Ausland. 2016 gipfelte diese Entwicklung dann in einem Megadeal: Fresenius-Helios übernahm für 5,8 Milliarden Euro den den größten europäischen Krankenhauskonzern außerhalb Deutschlands, den spanischen Giganten Quironsalúd. Damit verleibte sich Fresenius 45 Kliniken mit 6600 Betten und 35 000 Beschäftigten ein.
Die Folgen von fortwährender Expansion sind laut Teusch bei Fresenius-Helios klar zu erkennen und gelten auch für andere Privatkliniken: Das erwirtschaftete Geld fließe nicht durch Investitionen in die Krankenhäuser selbst, sondern werde in die Ausschüttung jährlich wachsender Dividenden gesteckt und in die Begleichung der horrenden Kaufpreise.
In den Kliniken setzt der Konzern dagegen den Rotstift an: Er baut Personal ab und senkt vor allem im Pflegebereich Personalkosten. Die dadurch sich verschlechternden Arbeitsbedingungen führen zu harten sozialen Konflikten in den Häusern.
Die Gewerkschaft ver.di geht davon aus, dass der Fachkräftemangel dazu führe, dass immer wieder Betten geschlossen werden müssten. Dies sei der Grund dafür, dass Fresenius vor wenigen Tagen ankündigen musste, dass die Geschäftszahlen in diesem Jahr wohl schlechter als ursprünglich erwartet ausfallen, was zu einem Absturz des Börsenkurses führte.
Im ganzen Konzern herrsche laut Achim Teusch ein Klima der Einschüchterung: »Warnstreiks werden abgebrochen. Es gibt nur wenige gewerkschaftliche Aktionen, die ohne juristische Gegenmaßnahmen ablaufen.« Für ihn ist Fresenius-Helios das Musterbeispiel eines »schmutzigen Klassenkampfs von oben«.
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