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Rom bleibt auf Konfrontationskurs mit der EU
Italien will trotz heftiger Schelte aus Brüssel an seinem Entwurf für den Haushalt 2019 festhalten
Nach einem langen Sitzungstag verließ Premier Giuseppe Conte mit seinen beiden Stellvertretern Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) am Montag den Palazzo Chigi zu einem gemeinsamen Abendessen. Man wolle den Haushalt nochmals durchsprechen, werde aber grundsätzlich nichts ändern, ließ man verlautbaren. Während Salvini von einem »Krieg mit der EU« sprach, kündigte Conte jedoch an, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefonieren und verhandeln zu wollen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause am Freitagmorgen drehte Mailands Börse sowohl zum Ende der vergangenen als auch in dieser Woche wieder ins Minus. Außerdem erreichte der Zinsunterschied - Spread - zwischen bundesdeutschen und italienischen Staatsanleihen ein Fünf-Jahreshoch von über 340 Punkten. Das heißt: Sollte Rom neue Schulden aufnehmen, müsste die Regierung den Investoren einen um 3,4 Prozent höheren Zins anbieten als Berlin. Und offenbar beginnen gerade ausländische Investoren, sich aus italienischen Staatsanleihen zurückzuziehen. So wurden in diesem Jahr Papiere in Höhe von 17,8 Milliarden Euro verkauft. Seit den Berlusconi-Krisenjahren wird der Spread als wichtiger Indikator für die politische (In-)Stabilität der römischen Regierungen angesehen.
Der vorgelegte Haushaltsentwurf für 2019 stieß bei der EU-Kommission auf Ablehnung. Rom beharrt in dem am Montag vorgelegten Antwortschreiben auf den vorgelegten Zahlen, die Brüssel jedoch nicht akzeptieren will. Zuvor hatte die EU-Kommission in ungewöhnlich scharfem Ton den Haushaltsvorschlag Italiens zurückgewiesen. Eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent sei völlig inakzeptabel und stelle eine »Abweichung ohne jeden Präzedenzfall« dar, hieß es in dem Schreiben, das von EU-Kommissar Pierre Moscovici persönlich dem italienischen Finanzminister Giovanni Tria übergeben wurde. Moscovici erklärte bei dieser Gelegenheit, Brüssel werde eine Neuverschuldung allenfalls bei 1,5 Prozent akzeptieren.
Dies wiederum führte zu scharfen Reaktionen aus Regierungskreisen in Rom. Allen voran erklärte Vizepremier Matteo Salvini, Parteichef der rechten Lega, man werde sich von Brüssel nichts vorschreiben lassen. Ohnehin hätten die amtierenden Kommissare im Mai »ausgespielt«, dann werde man »eine neue EU gestalten«, an der Lega wie die französische Front National und die österreichische FPÖ ebenso mitarbeiten werden wie die Verbündeten der Višegrad-Gruppe. Salvini spielte hier auf sein Treffen mit dem Ungarn Viktor Orbán an.
Weniger drastisch, aber doch deutlich äußerte sich Premier Conte: Der Haushaltsplan sei wohl erwogen und es geben keinen Grund zum Rückzug. Finanzminister Tria ließ der EU-Kommission zwar mitteilen, man werde am vorgelegten Entwurf festhalten. Er hatte aber im Vorfeld davor gewarnt, die EU könnte den Entwurf ablehnen. Der Minister wurde daraufhin sowohl von Salvini als auch von M5S-Chef Di Maio diszipliniert. Der Spitzenvertreter der Sternebewegung goss seinerseits Öl ins Feuer, als er öffentlich erklärte, das neue Steuerdekret sei »in einer manipulierten Form dem Staatspräsidenten« vorgelegt worden. Die Lega dementierte jede Einflussnahme, war jedoch bereit, die Auseinandersetzungen anzunehmen.
Beobachter der Situation in Rom kommen immer wieder zu dem Schluss, dass eine Regierungskrise Salvini gerade recht kommen könnte. Die jüngsten Wahlergebnisse in Südtirol und im Trentino sehen die Lega weiter im Aufwind. Bergsteigerlegende Reinhold Messner kommentierte dies trocken: »Es ist einfach, Stimmen auf neuen Bergen von Schulden zu fangen.«
Mit den sinkenden Börsenzahlen am Mailänder Parkett schwindet auch das Vertrauen von Bürgern und ausländischen Anlegern in die römische Politik. Nach Umfragen sollen nur noch 44 Prozent der Italiener für einen Verbleib in der EU sein. Allerdings dürfte sich diese Rate schnell ändern, da in der beginnenden öffentlichen Debatte immer deutlicher wird, welch negative Auswirkungen eine Abkehr hätte.
Bleibt die Regierung bei ihrem gegenwärtigen Kurs, steht Italien eine Krise größeren Ausmaßes bevor, die, so die Befürchtung einiger Analysten, selbst die Finanzkrise von 2008 mit ihren Folgen übertreffen könnte. Allerdings schüren derartige Aussichten auch die Befürchtungen für die gesamte Eurozone.
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