Am Forst wird wieder geräumt

Klimaaktivisten sehen sich von Ministerpräsident Laschet diffamiert und von RWE behindert

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein wenig hatte sich die Situation um den Hambacher Forst in den letzten Wochen beruhigt. Klimaaktivisten besetzten wieder Bäume und im Abbaggerungsort Manheim auch einige Häuser. Polizei und RWE ignorierten dies weitgehend, es kam nur zu kleineren Zwischenfällen. Nun spitzt sich die Situation wieder zu. 30 000 Kohlekumpel demonstrierten am Mittwoch in Bergheim, Ministerpräsident Armin Laschet unterstützte die RWE-Mitarbeiter mit den Worten: »Nicht nur die, die Polizisten angreifen, bestimmen das Klima in unserem Land, sondern auch anständige Leute, die jeden Tag zur Arbeit gehen und unseren Wohlstand erarbeiten.«

Solche Äußerungen sind der Grund, dass sich viele Menschen in ihrem Widerstand gegen die Braunkohle diffamiert fühlen. Zu ihren Demonstrationen war Laschet auch eingeladen, kam allerdings nie. Am Mittwochabend, nur wenige Stunden nach dem Ende der Demo der RWE-Mitarbeiter, rückte die Polizei dann im Abbaggerungsdorf Manheim an. »Ende Gelände« hatte dort sein Protestcamp aufgebaut.

Schon bei den Aktionen im letzten Jahr hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, wo die Protestierer ihr Lager errichten. Als anlässlich der Weltklimakonferenz im Rheinischen Revier protestiert werden sollte, gab es kein Camp. Klimaaktivisten und Behörden konnten sich nicht auf einen Standort einigen. Das sieht in diesem Jahr nicht anders aus. Die Polizei bot dem Bündnis eine Fläche in 30 Kilometern Entfernung vom Tagebau Hambach an. Die wollte »Ende Gelände« nicht akzeptieren, legte deshalb vor dem Verwaltungsgericht Aachen Widerspruch ein. Der Widerspruch war nicht erfolgreich. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster steht noch aus.

Trotzdem begannen Aktivisten am Rande der Ortschaft Manheim, also in direkter Nachbarschaft zum Tagebau, mit dem Aufbau eines Protestcamps. Dieser brauche seine Zeit, begründeten sie – bevor Donnerstag und Freitag tausende Klimabewegte in das Rheinland reisen würden, sollten die Camp-Strukturen stehen. Der Manheimer Alte Sportplatz schien ideal als Gelände. In der Nähe gibt es seit Wochen ein kleines Protestcamp, und im Dorf wurden mehrere Häuser besetzt. Doch der Sportplatz gehört, wie große Teile des Dorfes, dem Energiekonzern RWE. Dieser wollte das Camp nicht dulden. Strafanzeige wurde gestellt und schon am Mittwochabend rückte ein Großaufgebot der Polizei an, um das Camp zu räumen.

Für »Ende Gelände«-Sprecherin Karolina Drzewo ist die Räumung eine »massive Eskalation« der Situation durch die Polizei. Diese agiere als »verlängerter Arm von RWE«. Auf Verhandlungen habe sich die Polizei am Abend nicht eingelassen, obwohl die Klimaaktivisten nach eigenen Angaben sogar den kompletten Abbau ihres Camps angeboten hatten. Die einzige Bedingung der Klimaaktivisten war, dass sie die Camp-Infrastruktur, also etwa die großen Versammlungszelte, behalten können. Darauf ließ sich die Polizei nicht ein, die Zelte wurden beschlagnahmt. Die Räumung zog sich über Stunden hin, da Aktivisten Sitzblockaden um ihre Zelte gebildet hatten. »Ein Camp zu räumen, ohne sich auf Verhandlungen einzulassen, zeigt, welchen Stellenwert die Versammlungsfreiheit von Klimaaktivisten für die Polizei hat«, äußert sich Drzewo ihre Empörung. Am Donnerstag räumte die Polizei zudem fünf der sechs Häuser in Manheim, die von Aktivsten vor zwei Wochen besetzt worden waren. Auch Kräfte eines Sondereinsatzkommandos wurden dabei eingesetzt, um Aktivisten von einem Dach zu holen. Die Räumung des letzten Hauses wurde quasi in letzter Minute abgebrochen.

Beim Verwaltungsgericht Köln war ein Eilantrag gegen die Räumung eingegangen. Ein Anwalt habe diesen eingereicht. Ob sein Mandant zu den Besetzern gehört, wusste die Polizei am Nachmittag nicht. Am Donnerstagmittag umstellte die Polizei sogar den »Winkel«, eines der neuen Baumhausdörfer im Hambacher Forst. Geräumt wurde es allerdings nicht.

Die »Ende Gelände«-Sprecherin ist sich dennoch sicher: »Wir werden die Kohleinfrastruktur blockieren!« Das Bündnis habe in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass es Antworten auf Repressionsmaßnahmen finden könne. Einen Ort für das Camp hat man in Stepprath südlich von Düren gefunden. Für die 1000 Kohlegegner, die am Freitag mit einem Sonderzug im Rheinischen Revier ankommen, ist das sicherlich eine gute Nachricht. Karolina Drzewo sagt, das Bündnis habe ein »voll funktionstüchtiges Camp« aufgebaut. Dies sei wichtig, um den anreisenden Aktivisten die notwendige Infrastruktur bereitzustellen. Der Tagebau Hambach ist 13 Kilometer entfernt. Ein weiter Weg, wenn die »Ende Gelände«-Aktivisten am Samstag die »Kohleinfrastruktur« blockieren wollen.

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