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Quotenwahnsinn

Ein Gutachten im Auftrag der AG DOK stellt die Schwerpunktsetzung der öffentlich-rechtlichen Sender infrage

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Freitagabend, 20.15 Uhr in der ARD läuft die Krankenhausserie »In aller Freundschaft«, Samstag zur gleichen Sendezeit das dem deutschen Humor angemessene »Verstehen Sie Spaß?«, am Sonntag schließlich, wie üblich, ein »Tatort«. Im ZDF sieht es nicht viel anders aus, nur dass dort der Krimiabend sowohl freitags als auch samstags stattfindet und die Zuschauer am Sonntag gemeinsam mit Inga Lindström aus dem Wochenende wegdämmern dürfen.

Aus Quotensicht haben das Erste und das Zweite scheinbar alles richtig entschieden. Alle besagten Sendungen ziehen ein Millionenpublikum an. Nur: Am Wochenende werden sich die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kaum trauen, statt Unterhaltungsformaten auch mal eine Dokumentation zu senden.

Die alte Frage, »wie viel Quotendruck dürfen sich ARD und ZDF machen?«, erhält durch ein verfassungsrechtliches Gutachten des Medienrechtlers Professor Hubertus Gersdorf von der Universität Leipzig im Auftrag der »Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm« (AG DOK) einen neuen, bisher kaum diskutierten Dreh. Demnach sei es der Politik durchaus erlaubt, bei der Programmgestaltung striktere Vorgaben zu machen und den Rahmen zu konkretisieren. So sei der Gesetzgeber dazu berechtigt, »den Angebotsauftrag der Sendeanstalten dahin zu konkretisieren, dass sie schwerpunktmäßig in den Bereichen Information, Bildung und Beratung senden«. Das heißt: Die Politik darf zwar auf keinen Fall konkret inhaltlich eingreifen, aber durchaus eine Ansage machen, ob das Hauptaugenmerk in der Programmausrichtung auf Unterhaltung oder eben Information liegt.

Dass hier Handlungsbedarf besteht, belegt das Gutachten anhand einer zufällig ausgewählten Programm-Woche im ZDF zu Beginn dieses Jahres. Demnach seien zur sogenannten Prime-Time (19 bis 23 Uhr) am Abend insgesamt 555 Minuten Krimis, aber nur 75 Minuten Dokumentationen gelaufen. Noch deutlicher wird das Missverhältnis beim Blick auf die Jahreszahlen: Im Jahr 2015 standen im ZDF 437 Krimi-Erstausstrahlungen gerade einmal zehn neue Dokus gegenüber. Als Ausrede könne dabei nicht gelten, dass etwa das Zweite mit seinem Spartenkanal »ZDFinfo« einen dokumentationsbetonten Sender unterhalte, meint der AG-DOK-Vorsitzende Thomas Frickel, die Forderung beziehe sich auf das Hauptprogramm. »Die Einfalt der Krimi-Monokultur muss endlich gebrochen und durch eine Vielfalt inhaltlicher und künstlerischer Ansätze abgelöst werden«, fordert er.

Eine Neuorientierung könnte helfen, den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Systems etwas entgegenzusetzen. In der Schweiz zog die Politik aus der letztlich zwar gescheiterten No-Billag-Volksabstimmung im Frühjahr dennoch ihre Schlussfolgerungen. Ab 2019 muss bei den Eidgenossen 50 Prozent des Programmbudgets beim öffentlichen Rundfunk in Informationsprogramme fließen.

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