LINKE wählt Bockhahn zum Bürgermeisterkandidaten

92 Prozent der Rostocker Mitglieder stimmten für bisherigen Sozialsenator / Politiker will soziale Spaltung bekämpfen

  • Sebastian Bähr, Rostock
  • Lesedauer: 4 Min.

Freitagnachmittag, Rostocker Stadthalle. Steffen Bockhahn, hochgekrempelte Ärmel, energische Stimme, lächelt verschmitzt. »Solche Ergebnisse hat man selten bei einer Wahl, an der mehr als zehn Personen teilnehmen.« 92,2 Prozent der Rostocker Linkspartei haben soeben den bisherigen Sozialsenator der Stadt zum Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl im Mai 2019 gekürt. Dass die LINKE mit Bockhahn ins Rennen geht, stand zwar schon seit Juli fest, doch jetzt hat man es offiziell gemacht. 130 Parteimitglieder stimmten für den 39-Jährigen, elf gegen ihn. Enthaltungen und Gegenkandidaten gab es keine. »Das Ergebnis ist Ansporn und Verpflichtung zugleich«, sagt Bockhahn.

Unterstützung bekam der Politiker zuvor von dem Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sowie von der Vorsitzenden der Rostocker LINKE-Bürgerschaftsfraktion, Eva-Maria Kröger. Bartsch wies auf die Bedeutung der Rostocker Oberbürgermeisterwahl hin. »Für Mecklenburg-Vorpommern und für die Bundesrepublik wäre es ein starkes Zeichen, wenn die LINKE den Oberbürgermeister in der größten Stadt des Landes stellt.« Als »Genosse und Freund« habe Bockhahn seine volle Unterstützung. Eva-Maria Kröger erklärte, warum gerade ein linker Oberbürgermeister für Rostock notwendig sei. »Wir wollen ein Bürgermeister, der sozialer ist, der sich für Mitbestimmung einsetzt, der keine Zweifel lässt, was er von rechten Parolen hält.«

In seiner Bewerbungsrede stellte Bockhahn seine Pläne für die Hansestadt vor. Der seit vierzehn Jahren in Rostock engagierte Politiker erklärte, vor allem die soziale Spaltung in Angriff nehmen zu wollen. Dafür forderte er unter anderem einen Ausbau des Kita-, Hort- und Pflegeangebotes, mehr Mittel für Schulen sowie Wohnungsneubau in allen Segmenten, speziell aber im sozialen Bereich. Für die anstehenden Aufgaben seien die kommunalen und bereits in Rostock ansässigen Unternehmen gut aufgestellt. Diese gelte es zu fördern. Bockhahn betonte dabei die Notwendigkeit fairer Löhne. »Wer große Gewinne abschöpft, aber Angestellte so bezahlt, dass sie noch Unterstützungsleistungen brauchen, benimmt sich nicht hanseatisch.« Wirtschaftlich plädierte Bockhahn für eine breite Aufstellung. »Wir wissen nur zu gut, dass eine Werft auch mal schnell gegen den Baum fahren kann.«

Der Sozialsenator erklärte weiterhin, für ein weltoffenes Rostock eintreten zu wollen. »Als erste Amtshandlung werde ich dafür sorgen, dass auf einigen Grundstücken Wohnheime für Flüchtlinge und Menschen mit geringen Einkommen geschaffen werden«, sagte der Politiker. Ängste der Bevölkerung sollen durch »Begegnungen« abgebaut werden. Gleichzeitig sei für ihn klar, dass ein »Oberbürgermeister bei einer antifaschistischen Demonstration in der ersten Reihe zu stehen hat«. Gegen die AfD gelte es, »Haltung« zu zeigen . Von Rechtsaußen wolle er sich nicht unter Druck setzen lassen, sagte Bockhahn auf »nd«-Nachfrage. »Mir doch egal, wenn sie demonstrieren.« Der Senator stand 2016 in der Kritik, da er die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft in der Plattenbau-Siedlung Groß-Klein gestoppt hatte. Rechtsradikale gingen damals massiv gegen den Bau auf die Straße.

Die Entwicklung Rostocks zu einem »sicheren Hafen« will Bockhahn vorantreiben. »Es geht darum, sich glaubwürdig um die Flüchtlinge zu kümmern, die bereits da sind, aber auch den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, damit weitere aufgenommen werden können.« Rostock hatte sich im September zur Aufnahme von Mittelmeerflüchtlingen bereit erklärt.

Bockhahn ist seit 2015 Sozialsenator der Hansestadt. Bis 2012 war er Landesvorsitzender der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern, von 2009 bis 2013 Bundestagsabgeordneter. Der Politiker wies in seiner Rede darauf hin, dass er Rostock gut kenne und »abgöttisch liebe«. »Es ist gar nicht so schlecht, was wir bisher gemacht haben, aber da ist noch mehr drin«, sagte er. Für die Oberbürgermeisterwahl hat die LINKE keine schlechten Karten. Seit der letzten Kommunalwahl 2014 stellt sie die größte Bürgerschaftsfraktion, der Rostocker Kreisverband kann die Anzahl seiner rund 640 Mitglieder halten. Im Gegensatz zu vielen anderen ostdeutschen Städten waren die Rechten bei ihren jüngsten Aufmärschen im Verhältnis zu den Gegendemonstranten in der Unterzahl.

Auch die anderen Parteien haben sich mehrheitlich für die Oberbürgermeisterwahl aufgestellt. Für die SPD tritt Finanzsenator Chris Müller-von Wrycz Rekowksi an, CDU und FDP unterstützen den parteilosen IHK-Präsidenten und Unternehmer Claus Ruhe Madsen. Die Grünen schicken ihren Fraktionschef Uwe Flachsmeyer ins Rennen, die Wählervereinigung »Unabhängige für Rostock« wählte Dirk Zierau, den Personalchef des Rathauses. Lediglich bei der AfD steht der Kandidat noch aus. Roland Methling, der bisherige parteilose Oberbürgermeister Rostocks, kann nach vierzehn Amtsjahren aus Altersgründen nicht mehr antreten .»Es ist schwierig einzuschätzen, wohin die Reise geht«, stellte Eva-Maria Kröger am Freitag klar. Ein starker Wahlkampf der Linkspartei sei umso wichtiger.

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