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- Krise der Sozialdemokratie
Rücktrittsforderungen an SPD-Spitze
Einige SPD-Linke fordern die Parteispitze auf, geschlossen zurückzutreten / Sonderpartreitag soll über GroKo beraten
Die SPD ist nach den beiden verlorenen Wahlen in Hessen und Bayern auf der Suche nach dem Trendwende versprechendem Kurs. Parteichefin Andrea Nahles zog in einer Reaktion auf das Wahlergebnis selbstkritisch Bilanz. Doch ihre Strategie sieht vor allem eines vor: Sich noch besser in der Großen Koalition ins Zeug zu legen.
Anderen reicht es derweil. Sozialdemokrat*innen rund um den nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten Marco Bülow fordern einen radikalen Neubeginn – inklusive einer kompletten Auswechselung der SPD-Parteispitze. »Schluss mit Beschwichtigungen, mit 'Ruhe bewahren' und dem angeblich x-ten Neustart in der Großen Koalition«, schreiben die SPDler in ihrem am Montag veröffentlichten Aufruf. Statt sich auf eine Person zu fokussieren, müssten » diejenigen, die die Partei seit Jahren auf diesen Kurs gebracht haben, endlich die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen«. Es gehe längst nicht mehr um Machtoptionen und Posten, sondern »ums nackte Überleben der Sozialdemokratie«.
Neben der Rücktrittsforderung sind Kernaspekte der Sozialdemokrat*innen rund um Bülow ein Sonderparteitag, auf dem über den Fortbestand der GroKo diskutiert werden soll sowie die Urwahl des oder der Parteivorsitzenden nach Vorbild der britischen Labour Party - also auch offen für Nichtmitglieder.
Der Aufruf wird derzeit vor allem von sozialdemokratischen Sympathisant*innen der linken Sammlungsbewegung »Aufstehen« getragen. Darunter befinden sich die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, das SPD-Urgestein Rudolf Dreßler oder auch der Brite Steven Hudson, der schon bei der Labour Party aktiv bei er Wahl von Jeremy Corbyn mitmischte.
Marco Bülow schrieb am Montag auf Twitter: »Wie tief soll es noch gehen? Wieder zurück zu den Sachthemen und Lippenbekenntnissen?« Jetzt müssten klare Konsequenzen gezogen werden. Dabei wies er auch auf die herben Verluste der SPD bei den letzten Landtagswahlen hin.
Die Forderungen der Sozialdemokrat*innen gelten vor allem als symbolisch - die Unterzeichner des Aufrufs haben in der Partei wenig Einfluss. Dennoch mehren sich damit die Stimmen, die offen einem radialen Schnitt einfordern. Das linke Forum DL21 hatte am Wochenende auf ihrem Treffen ein Papier beschlossen, dass ein Ende der Großen Koalition fordert. »So geht es nicht weiter«, ist das Papier in Großbuchstaben überschrieben – garniert noch mit einem Ausrufezeichen. Unumwunden heißt es dort: »Die DL21 sieht sich in all ihren Argumenten gegen die Große Koalition bestätigt und fordert daher diese zu verlassen.«
Auch der Rücktritt der Parteiführung wird dort thematisiert – wenn auch nicht verbunden mit der Forderung, dass dies sofort geschehen müsse. »Wir brauchen glaubwürdige Personen an der Spitze der Partei. Wenn dieser Kurs nicht mit der derzeitigen Spitze möglich ist, dann ohne sie.« Anders als bei Bülows Aufruf skizziert man hier auch Inhalte in Form einer besseren Politik für Personen, die abgehängt seien und die arbeitende Bevölkerung. DL21-Sprecherin Hilde Mattheis war auf Anfrage am Montag für das »nd« nicht zu einem Statement zu erreichen.
Auch Juso-Chef Kevin Kühnert legte am Montag mit seiner Groko-Kritik nach. Er hält nach der Hessenwahl das baldige Ende der schwarz-roten Koalition im Bund für besiegelt. »Das Urteil über diese 'GroKo' ist final gesprochen«, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Bei der Hessenwahl war die SPD in einem ihrer einstigen Stammländer am Sonntag um mehr als zehn Prozentpunkte auf 19.8 Prozent abgerutscht. Unterm Schnitt landeten die Grünen mit dem hauchdünnen Plus von 94 Stimmen beim Gesamtergebnis sogar noch vor der SPD ab. In Bayern büßten die Sozialdemokrat*innen gleich die Hälfte ihrer Wähler ein und fielen von 20 auf unter zehn Prozent. Im Bund rangierte die Partei in Umfragen mit 14 Prozent zuletzt hinter Union, AfD und Grünen auf Rang vier.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles lehnt Rücktritte nach der Landtagswahl in Hessen jedoch ab. In einem Papier schiebt die Partei das derzeit schlechte Abscheiden der Union in die Schuhe: »Die Regierungsarbeit ist durch Konflikte innerhalb der Union in den letzten Monaten stark belastet. Es muss erkennbar werden, wie die Union ihre inhaltlichen und personellen Konflikte so lösen will, dass die Regierungsarbeit davon nicht weiter negativ berührt wird«, heißt es in dem Papier des Parteivorstands das der Deutschen Presseagentur vorliegt. Die Sozialdemokrat*innen in der Parteispitze wollen zudem mit fünf Kernprojekten ihre Erkennbarkeit in der Regierung schärfen. Um die Konflikte in der großen Koalition in den Griff zu bekommen, setzt sich die SPD-Spitze eine Frist bis Dezember.
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