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Zurück in die Zukunft als Politiker
Der Ex-Bundestagsabgeordnete Harald Petzold (LINKE) aus Falkensee bewarb sich um eine Kandidatur fürs Europaparlament - wohl vergeblich
Von Beruf ist Harald Petzold Lehrer, doch nach seinem Studium sammelte er nur kurz Praxiserfahrung an einer Schule in Ketzin. Gleich nach der Wende zog er in den Brandenburger Landtag ein, später in den Bundestag. Auch wenn er mal nicht in einem Parlament saß, verdiente er sich seine Brötchen mit Politik - als Referent von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) oder als Büroleiter der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (LINKE). Einzige Ausnahme waren die Jahre 2000 bis 2005, in denen Petzold an Schulen in Königs Wusterhausen und Falkensee die Fächer Musik, Deutsch und Politische Bildung unterrichtete.
Dass Petzold mit dem beinahe aussichtslosen Platz sechs auf der Landesliste der brandenburgischen Sozialisten bei der Bundestagswahl 2017 nicht erneut ins Parlament einziehen würde, war schon während des Wahlkampfes abzusehen. Petzold wusste, dass er in der an sich komfortablen Situation ist, jederzeit wieder als Lehrer im öffentlichen Dienst anfangen zu können. Doch in seinem Alter und nach so langer Zeit wäre das wie ein Neuanfang. Das war ihm auch bewusst und er hatte ein bisschen Respekt davor.
Übergangsweise sprang Petzold noch für einige Montage als Bildungsreferent bei der Linksfraktion im Landtag ein - als Ersatz für den ehemaligen Landtagsabgeordneten Peer Jürgens, dem die Fraktion nach dessen Verurteilung wegen Betrugs bei Fahrtkosten und Mietzuschüssen gekündigt hatte. Doch seit Ende der Sommerferien 2018 ist der inzwischen 56-jährige Petzold wieder als Lehrer tätig - wieder an der Gesamtschule in Falkensee, an der er zuletzt bis 2005 unterrichtet hatte. Und er kann nun in Bezug auf seine pädagogischen Fähigkeiten befriedigt feststellen: »Es ist wie Schwimmen oder Fahrrad fahren - man verlernt es nicht.«
Trotzdem sah es nach wenigen Monaten im Schuldienst so aus, als strebe Petzold zurück in die Politik, wolle diesmal sogar noch höher hinaus als je zuvor. Er bewarb sich darum, von seiner Partei für die Europawahl nominiert zu werden. Dabei hat die brandenburgische LINKE bereits einen Vertreter in Straßburg und Brüssel - den für Handelspolitik und internationale Beziehungen zuständigen Abgeordneten Helmut Scholz. Der will auch wieder kandidieren und wird dabei vom Landesvorstand unterstützt. Für Petzold fand der Landesvorstand die Formulierung, man begrüße seine Bewerbung. Zwei sozialistische Europaparlamentarier aus dem Bundesland Brandenburgs, das hat es zwar in den Jahren 1999 bis 2004 mit Christel Fiebiger und Helmuth Markov schon einmal gegeben, aber es wäre doch ungewöhnlich, wo die LINKE insgesamt nur sieben Europaabgeordnete hat.
Das wusste Petzold und er schätze seine Chancen auf einen Einzug ins Europaparlament radikal realistisch ein, mit einem Wort: »Null.« Trotzdem wollte er es versuchen, damit ein Zeichen setzen für die notwendige Gleichstellung der Lesben und Schwulen. Das Zeichen scheint wichtig zu sein. Zwar gelang noch kurz vor der Bundestagswahl 2017 die Einführung der Ehe für alle. Damit wurde die Gleichberechtigung der Homosexuellen in Deutschland nach langem Kampf vollendet. Von einer Gleichstellung ist man jedoch noch weit entfernt und auf dem Höhepunkt des bisher Erreichten hatte sich bereits eine reaktionäre Gegenbewegung formiert. Die Zahl der Übergriffe auf Homosexuelle nimmt inzwischen wieder zu. Gesamteuropäisch betrachtet sind die Probleme noch größer. Besonders in Osteuropa gibt es wenig Toleranz. In den linken Parteien Osteuropas kennt Petzold zwar einzelne Aktivisten der queer-Bewegung, doch diese Parteien haben nicht einmal offizielle Ansprechpartner für das Thema.
In dieser Situation entschloss sich der Sprecher*innenrat der Bundesarbeitsgemeinschaft queer der Linkspartei, Danielle Lichére aus Hessen und Harald Petzold aus Brandenburg für eine Kandidatur bei der Europawahl im Mai 2019 Jahres vorzuschlagen.
Petzold lernte als Schüler in der DDR neben Russisch und Englisch noch freiwillig Französisch. Als er für die Arbeitsgemeinschaft »Cuba Sí« mehrmals nach Havanna gereist war, entschloss er sich, zusätzlich noch Spanisch zu lernen, um dort bei künftigen Solidaritätskongressen keinen Dolmetscher mehr zu benötigen. Mit seinen Sprachkenntnissen wäre Petzold gut aufgehoben in der Europapolitik. Bei der Nominierung wollte sich der 56-Jährige ab Listenplatz vier ins Geschehen einmischen.
Doch jetzt am Wochenende erhielt seine Bewerbung einen Dämpfer. Eine Bundesdelegiertenkonferenz der Arbeitsgemeinschaft queer im Berliner Karl-Liebknecht-Haus entschied einstimmig, die Empfehlung für Listenplätze solle sich auf eine Person konzentrieren. Dies heißt, es sollen nicht Danielle Lichére und Harald Petzold ins Rennen geschickt werden, sondern nur einer von beiden. In geheimer Abstimmung setzte sich dann Lichére durch.
Was aus Petzolds bereits eingereichter Bewerbung wird, bleibt offen. Die Landesarbeitsgemeinschaft queer Berlin-Brandenburg will sich dazu erst noch verständigen. Der Vorstand von Petzolds Heimatkreisverband Havelland hat ihm einstimmig die Unterstützung seiner Bewerbung zugesagt. Auch beim Landesverband »Andersartig«, der Dachorganisation der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in Brandenburg, hatte man Petzold die Daumen gedrückt.
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