• Politik
  • 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs

»Das Gelübde zu erneuern«

Rund um die Feiern zum Ende des Ersten Weltkrieges wird Multilateralismus debattiert

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

In Anwesenheit von 77 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt wurde am Sonntag in Paris mit einer Zeremonie der 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs begangen. Nach der Begrüßung der Ehrengäste im Elysée durch Präsident Emmanuel Macron begaben sich alle gemeinsam über die Avenue des Champs-Elysées zum Triumphbogen. Dort schritt Präsident Macron Ehrenformationen der Armee ab und verneigte sich vor den Traditionsfahnen der Verbände ehemaliger Kriegsteilnehmer. Nach Musikstücken von Bach und Ravel lasen Jugendliche Ausschnitte aus Briefen und Texten von Teilnehmern des Ersten Weltkriegs vor, darunter von Erich Maria Remarque. Präsident Macron mahnte in seiner Rede: »Die Geschichte droht manchmal ihren tragischen Lauf neu aufzunehmen und unser Friedenssehnen infrage zu stellen, das wir doch für alle Ewigkeit besiegelt glaubten, nicht zuletzt mit dem Blut unserer Vorfahren. Dieser Jahrestag des Gedenkens sollte uns Anlass sein, unseren Toten gegenüber das Gelübde zu erneuern, den Frieden höher zu halten als alles andere in der Welt.«

Am Nachmittag nahmen fast alle angereisten Regierungsoberhäupter an der Eröffnung eines dreitägigen »Pariser Friedensforums« teil, das von Präsident Macron initiiert worden war und künftig alle Jahre in der französischen Hauptstadt stattfinden soll. Dort sprachen auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Das Pariser Friedensforum hat Macron zufolge das Ziel, »nach dem Weltkriegsgedenken ein Zeichen für die Gegenwart zu setzen«, für Multilateralismus in der internationalen Politik zu werben und deutlich vor Nationalismus und Populismus zu warnen. Daher war es kaum verwunderlich, dass US-Präsident Trump dem Friedensforum demonstrativ fernblieb. Auf dem Flug nach Paris hatte der US-Präsident eine Interviewäußerung von Macron, in der dieser sich für eine europäische Armee ausgesprochen hatte, die den Kontinent notfalls auch gegen Russland, China oder die USA verteidigen können solle, in einem Tweet als »Beleidigung« gewertet.

Die europäischen Länder sollten, so Trump, lieber erst einmal mehr für die NATO zahlen, die weitgehend durch die USA finanziert wird. In einem Gespräch im Elysée am Samstag wurde dieser Konflikt zwischen Macron und Trump zwar nicht gänzlich ausgeräumt, aber vorerst diplomatisch beigelegt. Trump stimmte zu, als der französische Präsident erklärte: »Ich teile die Ansicht von Präsident Trump, dass wir eine viel bessere Lastenverteilung innerhalb der NATO brauchen, und ich glaube, dass meine Vorschläge für eine europäische Verteidigung damit vollständig übereinstimmen, weil das mehr Europa innerhalb der NATO bedeutet.«

Zu einem von vielen erwarteten Treffen am Rande der Feierlichkeiten zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kam es nicht, wohl aber zu einem von Macron vermittelten Gespräch zwischen Trump und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, bei dem es vor allem um den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi ging. Bundeskanzlerin Merkel kam mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic zusammen und sprach mit ihm über Kosovo.

Am Samstagnachmittag hatten Macron und Merkel die Gedenkstätte im Wald von Compiègne besucht, wo in der Nacht zum 11. November 1918 der Waffenstillstand zwischen den Vertretern der deutschen Seite und der Alliierten ausgehandelt und unterzeichnet worden war. Am Gedenkstein an der Stelle, wo der Waggon des Waffenstillstands von 1918, aber auch der französischen Kapitulation 1940 nach dem Überfall durch Hitlerdeutschland gestanden hatte, legten Macron und Merkel gemeinsam ein Blumengebinde nieder. Ins Goldene Buch der Gedenkstätte trugen sie sich mit einem gemeinsamen Text ein, in dem sie den Willen zur deutsch-französischen Aussöhnung im Dienst Europas und des Friedens bekräftigten. Es war das erste Mal seit Bestehen der Bundesrepublik, dass ein Bundeskanzler an diesem historischen Ort weilte, betonte Merkel im Anschluss gegenüber deutschen Journalisten. Das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs müsse in den Willen münden, »alles zu tun, um eine friedlichere Ordnung auf der Welt zu schaffen«, sagte sie mit Hinweis auf das Friedensforum, »doch dafür ist noch viel Arbeit zu leisten«.

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