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Auf der Suche nach der Welt von morgen
Deutschlands Eisschnellläufer starten ohne Hoffnung auf große Erfolge in ihre nächste Übergangssaison
Es wird allmählich Winter. Das ist schon beim Blick ins Programm der großen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu bemerken, die ihre Sendeplätze nun wieder mit langen Übertragungen von Sportereignissen füllen, bei denen manchmal nur eines garantiert sein dürfte: niedrige Einschaltquoten. Natürlich ist das ungerecht, aber um die hiesigen Zuschauer ab diesem Freitag etwa für den Weltcupauftakt der Eisschnellläufer zu interessieren, bedarf es vermutlich einiger deutscher Siegkandidaten auf Kufen. Die aber - alles andere wäre sehr überraschend - gibt es derzeit nicht.
Elf Läuferinnen und Läufer haben die Normzeiten des Verbandes in der Zeit bis zu den deutschen Meisterschaften in Inzell vor zwei Wochen erfüllt und sind nun im Fernen Osten beim Weltcupauftakt in Obihiro und eine Woche später in Tomakomai am Start: sechs Männer und fünf Frauen. Über Zeiten und Ziele der Sportler spricht aber kaum jemand. Vielmehr hat die Deutsche Eischnelllauf-Gemeinschaft (DESG) ganz andere Fragen zu beantworten: Inwieweit ist das Führungschaos im Verband überstanden? Welche kurzfristige Wirkung können jüngst gefällte Personalentscheidungen nach achtmonatigem Interregnum ohne echten Bundestrainer und Sportdirektor schon haben? Wie sehen die Zukunftskonzepte aus, mit dem endlich alles besser wird?
Die Erwartungen von Medien und Fans sind jedenfalls gedämpft. Die goldenen Zeiten seien eben vorüber. Die Sportart stehe ohne Olympiamedaille nun auch vor großen finanziellen Herausforderungen. Das Fazit der nicht immer souverän agierenden ehrenamtlichen DESG-Präsidentin Stephanie Teeuwen nach den Meisterschaften in Inzell klang da noch eher nach Wunschdenken denn nach Realität. »In einer Umbruchphase konnten wir hier die ersten Früchte ernten«, meinte sie mit Bezug auf eine Reihe persönlicher Bestzeiten.
Die Suche nach der erfolgreicheren Welt von morgen wurde bereits vom im Frühjahr nach vierjähriger Amtszeit desertierten Sportdirektor Robert Bartko auf mindestens bis 2030 datiert. Und der sogar nur zwei Jahre (2016 bis 2018) aushaltende Bundestrainer Jan van Veen bewertet dies schon als schwer umsetzbar: »Ich sehe langfristig keine Möglichkeiten, die DESG wieder an die Weltspitze zu führen.«
Dass vieles immer noch mit den arrivierten »Alten« absolviert werden muss, ist unübersehbar. Unter den fünf Frauen im Weltcupkader ist die 22-jährige Berlinerin Michelle Uhrig mit Abstand das »Küken«. Danach folgen mit jeweils kräftigen Schüben Roxanne Dufter (26, Inzell), Stefanie Beckert (30, Erfurt), Gabriele Hirschbichler (35, Inzell) und natürlich, stets despektierlich als »Altmeisterin« titulierte 46-jährige Claudia Pechstein aus Berlin.
In Inzell war Pechstein jüngst zu ihren nationalen Titel 35 bis 37 (3000 und 5000 Meter sowie Massenstart) gelaufen - trotz Rückenschmerzen nach einer Operation! Damit übernahm sie die alleinige Spitze in dieser Statistik vor Gunda Niemann-Stirnemann, vorher hatten beide 34. »Es ist etwas Besonderes, wenn man Geschichte schreibt«, bekannte Pechstein danach. Ob sie dazu auch international noch in der Lage sein kann, ist mit einem Fragezeichen zu versehen. Angenehm realistisch und zurückhaltend klingt ihre eigene Aussage dazu. »Es bleibt mein Anspruch, trotz meines hohen Alters dafür zu sorgen, dass die Namen der deutschen Frauen auf meinen Strecken nicht ganz aus den Top Ten der internationalen Ergebnislisten verschwinden.« Ob andere deutsche Frauen angesichts der starken Konkurrenz aus den Niederlanden und Übersee in solche Bereiche vorlaufen können, ist nur schwer vorstellbar.
Bei den Männern scheinen die Aussichten etwas besser zu sein, zumal die Alterszusammensetzung des Sextetts zukunftsträchtiger erscheint. Nico Ihle (33, Chemnitz), immerhin schon mal Vizeweltmeister über 500 Meter, und der Erfurter Patrick Beckert (28), Olympiasiebenter 2018 über 10 000 Meter, können beide an guten Tagen und bei optimalen Bedingungen sogar mal aufs Podest laufen. In Inzell holte sich Beckert seine deutschen Meistertitel 19 bis 21 (1500, 5000 und 10 000 Meter). Dazu machte der für den ESC Erfurt startende 24 Jahre junge Sachse Felix Maly in Inzell auf sich aufmerksam. Er wurde gleich dreimal Zweiter und drückte seine Bestzeiten mehrfach in großen Sekundenschüben nach unten.
Saisonhöhepunkt sind die Einzelstrecken-Weltmeisterschaften vom 7. bis 10. Februar daheim in Inzell. Sie werden wohl Härtetest und Prüfung zugleich für den »neuen« Bundestrainer Erik Bouwman sein, der bis dato den Perspektiv- und Nachwuchskader betreute und nun zusätzlich auch noch für die Koordination der Olympiakader verantwortlich ist. Allerdings wird er nicht einmal mit den Athleten im Weltcup unterwegs sein. In Japan sollen stattdessen Daan Rottier und Danny Leger die Aktiven unterstützen.
Als DESG-Sportdirektor wurde am letzten Tag der deutschen Meisterschaften der 34-jährige Matthias Kulik präsentiert. Er ist seit 2008 Leistungssportreferent für die Sparte Shorttrack im Verband, die auch schon seit Jahrzehnten eher vergeblich nach der Erfolgsformel sucht. Sein Hauptaugenmerk gelte nun der »Entwicklung unserer perspektivreichsten Athleten in Richtung 2026 und darüber hinaus«, sagte Kulik bei Amtsantritt. Eine Aussage, die man nun bei jeder fast schon garantiert enttäuschenden Meldung in diesem Winter im Hintersinn haben darf.
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