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Nachtparade gegen Neonazis
Gegen den anhaltenden rechten Terror in Neukölln gehen Antifaschisten spazieren
Neukölln gilt bundesweit als Symbol für Multikulturalismus - für Rechte ein Hassobjekt, für manche ist es eine linke Oase. Dass es jedoch genau dort auch schon seit längerer Zeit eine Serie rechter Angriffe gibt und Neonazis Terror machen, ist vielen nicht bewusst. Erst vor Kurzem versammelten sich Neonazis im zentralen Schillerkiez und griffen Antifaschisten an. Nun möchten Anwohner ein Zeichen der nachbarschaftlichen Solidarität setzen und Freitagabend einen »antifaschistischen Nachtspaziergang« veranstalten.
»Es ist beunruhigend, was hier seit mehreren Jahren schon passiert«, sagt Irmgard Wurdack vom »Bündnis Neukölln« im Gespräch mit »nd«. Die beiden Vorfälle Ende September und Anfang Oktober seien nicht die ersten gewesen, bei denen Neonazis in Neukölln wüteten. »In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Anschläge in Neukölln.« Im Süden seien mit Burak Bektaş und Luke Holland bereits zwei Menschen getötet worden. Autos von Antifaschisten seien angezündet und Scheiben von Galerien eingeworfen worden. »Aber auch in Nord-Neukölln sind wir nicht auf einer Insel der Seligen«, so Wurdack. Deshalb möchte sie die Neonazis wieder zurückdrängen.
Dafür braucht es ein solidarisches Umfeld, das sich gegen den Terror wehrt. »Es ist wichtig, wachsam zu sein und zusammenzuhalten«, sagt sie. Deswegen organisiert die Arbeitsgruppe »Aufstehen gegen Rassismus« des »Bündnis Neukölln«, einem Zusammenschluss von kirchlichen, gewerkschaftlichen sowie parteilichen Organisationen, nun einen Nachtspaziergang. »Viele wissen gar nichts davon«, so Wurdack, die auch in der bundesweiten Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus« mitarbeitet, über die aktuellen Angriffe. »Höchste Zeit, Aufmerksamkeit zu schaffen.« Dazu soll der Spaziergang, der um 20 Uhr am Herrfurthplatz beginnen wird, beitragen. Rund zwei Stunden möchten die Antifaschisten dann durch den Schillerkiez laufen, aufklären und ihre Solidarität ausdrücken. Redebeiträge werden unter anderem Betroffene der Angriffe halten.
Die Angriffe fanden in den Nächten zum 29. September und 6. Oktober statt. Am ersten Abend hatten sich rund 15 bis 20 Neonazis am U-Bahnhof Boddinstraße versammelt. Dort sollen sie von Antifaschisten gesehen und angesprochen worden sein. Daraufhin kam es zu Übergriffen, auch die Kiezkneipe »Syndikat« wurde angegriffen.
Augenzeugen, die den Angriff beobachteten, berichten dem »nd« von einer Gruppe sportlich gekleideter Männer in Jogginghosen mit schwarzen Jacken und Handschuhen. Sie sollen die Antifaschisten als »Zecken« und »Juden« beschimpft haben. Es gab Verletzte. Eine Woche später wiederholte sich der Vorfall ähnlich.
Die Anfrage des »nd« zu den Angriffen konnte die zuständige Polizeistelle bis Redaktionsschluss nicht beantworten. »Es schüchtert ein, klar«, sagt Wurdack vom »Bündnis Neukölln«. »Ich kenne Leute, die überlegt haben hier wegzuziehen.« Einige haben das wohl schon nach einem Angriff getan. Damit trägt die Einschüchterungsstrategie der Neonazis Früchte. Unangenehm ist auch, nicht genau zu wissen, wer hinter den Angriffen steckt: »Ich habe keine Erkenntnisse darüber«, so die Antifaschistin. Diese würden noch dringend benötigt.
Auch die Ermittlungsbehörden enttäuschen die engagierten Kiezbewohner. Bisher stuften diese die Anschläge in Südneukölln nicht als Terrorserie ein. »De facto ist es so, dass einzelne Ermittlungsverfahren eingestellt worden sind.«
Die Vorfälle würden, selbst wenn die gleichen Personen mehrfach betroffen seien, als Einzelfälle bearbeitet. Große Zusammenhänge würden von der Polizei ignoriert, sagt die Aktivistin. Auf Unterstützung von eben dieser hoffen die Antifaschisten nicht mehr.
Von der Politik erwartet das »Bündnis« sich derweil einen Willen zur Aufklärung, Solidarität und einen konsequenten Kampf gegen Rechts, vor allem im Hinblick auf die Parlamente. Die AfD in der Bezirksverordnetenversammlung habe schon früh den Kampf gegen die rechte Terrorserie torpediert. Ihr Vorwurf: Die Anschlagsserie könnte ja auch von »Linksextremen« ausgehen.
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