Jeder Stein erzählt eine Geschichte

Ein neuer Stolperstein erinnert an den Schriftsteller Bruno Altmann aus Berlin-Neukölln

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine ganz besondere Art des Gedenkens, die am Montagmorgen in der Hufeisensiedlung in Berlin-Neukölln stattfindet. Umringt von einer großen Menschenmenge lässt Gunter Demnig in aller Seelenruhe mit geübten Handgriffen einen sogenannten Stolperstein in das Straßenpflaster vor dem Haus in der Dörchläuchtingstraße 4 ein. Seit 26 Jahren erinnert der Künstler mit dem charakteristischen Filzhut an die Opfer des Nationalsozialismus, bereits mehr als 70 000 der kleinen Gedenktafeln aus Messing hat er dazu vor ihren letzten selbstgewählten Wohnorten verlegt.

An diesem Tag gebührt die Erinnerung dem jüdischen Schriftsteller Bruno Altmann. Mehr als ein halbes Jahr haben Schülerinnen des Geschichtsleistungskurses des Albert-Einstein-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des AntonSchmaus-Hauses von den Falken dafür in den Archiven recherchiert. 24 handschriftliche Briefe, die der Sozialdemokrat aus dem Exil geschrieben hat - teil nur schwer leserlich und in Sütterlin verfasst -, haben sie dafür transkribiert und so Bruno Altmanns Weg in den Tod rekonstruiert.

»Wir haben jemanden gewählt, über den noch nicht so viel erzählt wurde«, erklärt die Schülerin Judith Wamser. Der Schriftsteller und Journalist, der unter anderem für die SPD-Parteizeitung »Vorwärts« NS-kritische Beiträge verfasste und dessen Buch »Vor dem Sozialistengesetz« von den Nazis auf die Liste verbotener Schriften gesetzt wurde, floh nach mehreren Hausdurchsuchungen und Bespitzelungen im Mai 1934 in die Tschechoslowakei. Die Briefe des über 50-Jährigen seien voller Verzweiflung über seine finanzielle Not im Exil gewesen, berichten die Schülerinnen. Daran änderte auch sein Umzug nach Frankreich zwei Jahre später nichts.

Sein letzter Brief stammt aus dem März 1940, danach ist lediglich bekannt, dass er in ein südfranzösisches Internierungslager gebracht und im Jahr 1943 ins KZ Majdanek deportiert wurde. Umstände und Datum seines Todes sind unbekannt, die Schülerinnen glauben aufgrund ihrer Nachforschungen jedoch, dass Altmann im Vernichtungslager Sobibór ermordet wurde.

»Herzlichen Dank, dass Ihr die Geschichte von Bruno Altmann wieder ins Leben gerufen habt«, bedankt sich Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) bei den Schülerinnen. Hinter den Stolpersteinen stünden die Biografien von einfachen Menschen, die während der NS-Zeit deportiert und brutal ermordet wurden. »Das waren Nachbarinnen und Nachbarn, die aus ihren Häusern entführt und in die Konzentrationslager gebracht worden sind und es waren auch Nachbarinnen und Nachbarn, die sich darum manchmal nicht unbedingt geschert haben«, so Hikel.

Die Stolperstein würden dafür sorgen, dass das nie vergessen werde. Sie seien eine Mahnung für künftiges und heutiges Handeln. »Gerade in heutigen Zeiten, wo wir immer häufiger mit demokratiefeindlichen Einstellungen zu tun haben. Wo Menschen dazu aufrufen, seinen Nächsten zu verraten, weil etwa Lehrer Stellung beziehen«, so Hikel in Bezug auf das Lehrer-Meldeportal der AfD. Nicht jeder der demokratisch gewählt sei sei auch Demokrat. »Das gilt es auch im schulischen Leben deutlich zu machen«, so Hikel, der selbst lange Zeit Lehrer war. Demokratie lebe von den Menschen, die sich einbringen und das hätten die Schülerinnen getan. »In diesem Sinne werden wir bestimmt noch viele Stolpersteine verlegen.«

Dass die Schülerinnen ausgerechnet an einen Bewohner der Hufeisensiedlung erinnern, ist kein Zufall. Sie wollten damit auch ein Zeichen setzen, sagen sie und erinnern daran, dass vor rund einem Jahr, kurz vor dem Jahrestag der Reichspogromnacht, im Neuköllner Ortsteil Britz 16 Stolpersteine vermutlich von Neonazis aus dem Gehweg herausgerissen und entwendet wurden - die meisten davon rund um die Hufeisensiedlung. Seit zwei Jahren häufen sich dort rechtsradikale Aktivitäten bis hin zu Anschlägen auf Antifaschist*innen.

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