- Kultur
- Der Grinch
Mehr Besinnlichkeit, aber dalli!
Gründlich glattgebügelt: Der Film »Der Grinch« ist bieder-familienfreundliches Multi-Millionen-Dollar-Animationskino
Irgendwo in einer verwunschenen Winterbergwelt liegt das Städtchen Whoville, Heimat der Whos, einer Gesellschaft von putzigen, stupsnäsigen Menschlein, gutmütig bis zur Naivität, die alle miteinander nichts so sehr lieben wie das alljährige Weihnachtsfest, das alle Bewohner der Stadt gemeinsam mit größtmöglichem Aufwand feiern - sehr zum Missvergnügen eines fiesen grünen Monsters, das unweit von Whoville in einer Höhle haust: der titelgebende Grinch, dessen Herz »drei Nummern zu klein ist«, weswegen ihm all das Frohlocken dermaßen auf den Geist geht, dass er den teuflischen Plan ersinnt, am Weihnachtsabend als Anti-Weihnachtsmann die ganzen schönen Geschenke und Dekorationen zu stehlen.
Die 1957 von Theodor »Dr. Seuss« Geisel als Bilderbuch verfasste und illustrierte Geschichte vom missmutigen Grinch, der sich zu guter Letzt dann doch von der ungebrochenen Weihnachtsseligkeit der Whos anstecken lässt und - mit gewachsenem Herzen - stolz den Festtagsbraten anschneidet, gehört (vor allem im englischsprachigen Raum) zu den beliebtesten Weihnachtsgeschichten schlechthin. Nach einer preisgekrönten Cartoon-Adaption, einem bis heute tourenden Broadway-Musical und einer eher verunglückten Realfilm-Fassung mit Jim Carrey veröffentlicht nun das Animationsstudio Illumination Entertainment (»Ich - Einfach Unverbesserlich«, »Minions«) eine computeranimierte 3D-Version des Stoffs.
Im Original wird die Titelfigur von Benedict Cumberbatch gesprochen; in der deutschen Fassung leiht der »Blödelbarde« Otto Waalkes dem Grinch seine Stimme. Waalkes spricht zwar routiniert und effektiv, verfügt aber nicht ansatzweise über ein ähnliches stimmliches und emotionales Repertoire wie der Charakterdarsteller Cumberbatch. Die Kunstfigur »Otto«, die Waalkes lange verkörpert hat, ist in jeder Szene herauszuhören. Die junge Zielgruppe des Films wird das nicht stören, und die begleitenden Eltern wird es zumindest zum Teil in wohlige Nostalgie versetzen. Die Besetzung mag also aus Marketing-Sicht ein gelungener Coup sein.
Überhaupt, das Marketing! Als nicht völlig hirntoter Zuschauer kann man natürlich unmöglich den zynischen Widerspruch übersehen, der einem zur Weihnachtszeit an jeder Ecke entgegenschreit und in einem Film wie diesem nur noch deutlicher zu Tage tritt: die Aufforderung, sich doch bitte zu Weihnachten auf das Zwischenmenschliche und Besinnliche zu - nun ja - besinnen, serviert in einem bombastischen Filmwerk, das in dieser verschwenderischen Gigantomanie überhaupt nur existieren kann, weil zu dieser Jahreszeit weltweit Menschen bereit sind, ihre Zuneigung zueinander durch den verstärkten Kauf von Konsumgütern auszudrücken.
Schon in den 50er Jahren, beim Verfassen der Vorlage, kämpfte Dr. Seuss mit dem Problem, die schmalzige Botschaft vom »wahren Geist der Weihnacht« in Einklang zu bringen mit den misanthropischen Possen eines unverbesserlichen Griesgrams (zumal einem Stellvertreter des etwas griesgrämigen Autors): »Ich kam in eine Situation, wo ich klang wie ein zweitklassiger Priester oder irgendeine biblische Plattitüde … In völliger Verzweiflung … zeigte ich den Grinch schlussendlich einfach mit den Whos am Tisch, ohne irgendeine Aussage zu treffen.«
Die Neuverfilmung macht es sich etwas einfacher, indem sie den Grinch von Anfang an eher als liebenswerten Miesepeter denn als gemeines Monster zeichnet, was nur folgerichtig ist im modernen Multi-Millionen-Dollar-Animationskino, das tendenziell jede Geschichte gründlich glattbügelt, bevor die familienfreundliche, technisch perfekte und präzise durchgetaktete Unterhaltungsmaschine auf den internationalen Markt geworfen wird.
Technisch perfekt und präzise im Timing ist der Film dann auch. Die magische Winterwelt erstrahlt in voller Opulenz, die charmanten Slapstick-Einlagen, die einen Großteil der Laufzeit des Films ausmachen, erinnern an die klassischen Warner-Brothers-Cartoons mit Road Runner und Wile E. Coyote - auch das dürfte kein Zufall sein, sondern kalkulierte Hommage: die erste Verfilmung des Stoffes wurde 1966 von dem altehrwürdigen Warner-Brothers-Animator Chuck Jones in Szene gesetzt.
»Der Grinch« hat alles, was man von einem dicken fetten Feiertags-Blockbuster erwarten darf. Nicht weniger - aber ganz sicher auch kein bisschen mehr.
»Der Grinch«, USA 2018. Regie: Yarrow Cheney, Scott Mosier. Musik: Danny Elfman. 90 Min.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.