Ein Anfang

Haidy Damm über die Risiken der Gelbwesten

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.

Keine Frage: Die Gelben Westen in Frankreich stellen das politische System infrage. Sie wollen keine Vertreter*innen, sie begeistern sich an brennenden Barrikaden und entglasten Banken. Die Menschen auf der Straße sind bereit, ins Leere zu springen, sie lehnen traditionelle Politikmuster ab, sie sind in Aufruhr. Es ist ein Aufstand. So weit, so gut.

Dennoch schleicht sich Unbehagen ein. Neonazis und Rassist*innen haben sich den Blockaden nicht nur angeschlossen, sie haben sie zum Teil mit initiiert. Berichte von homophoben und rassistischen Übergriffen am Rande der Demonstrationen verwundern da nicht. Der Rechtspopulist Christophe Chalençon, einer der Sprecher der Gelben Westen, wünscht sich gar einen ehemaligen Militär an der Spitze des Staates. Von Anfang an mischten die Rechten nicht nur mit, sie versuchen die Deutungshoheit zu erringen. Zusammen mit Wutbürger*innen, die sich lieber unpolitisch nennen, als klare Kante gegen Neonazis zu zeigen. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Volk. Das Volk in Aufruhr gegen eine Politik für die Reichen.

Was tun? Teilnahmslos danebenstehen, das ist unmöglich. Inzwischen haben sich weite Teile der Gesellschaft angeschlossen, sie alle stellen ihre eigenen sozialen Fragen: Schüler*innen gegen die Bildungspolitik, Amazon-Beschäftigte gegen Ausbeutung. Und alle gegen Macron.

Die Systemfrage stellen
Anselm Schindler über die Chancen der Gelbwesten

Der Präsident, der seine neoliberalen Ziele nie verheimlicht hat, aber Marine le Pen als Präsidentin verhindern sollte. Die Frontfrau von Rassemblement National freut sich über die Wutbürger*innen auf der Straße. Auch in Italien und Deutschland dürfte die Rechte zufrieden ins Nachbarland blicken. Es ist augenscheinlich: Der Aufstand ist sehr anschlussfähig für die europäische Rechte. Das muss in heutigen Zeiten beunruhigen.

Worauf es jetzt ankommt, ist nicht, den Aufstand um seiner selbst willen zu feiern, sondern ihm eine solidarische Perspektive zu geben. Das tun antirassistische und antifaschistische Gruppen, die für dieses Wochenende ebenso aufgerufen haben wie Anarchist*innen und Feminist*innen. Der Aufstand wird wahrscheinlich Macrons Amtszeit frühzeitig beenden. Was folgt, ist offen. Es ist unerlässlich, die Gefahr von rechts nicht zu unterschätzen. Denn es gibt für Linke keinen Grund, gemeinsam mit Nazis und Rassist*innen auf die Straße zu gehen - außer sie und ihre Ziele zu bekämpfen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.