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Schalke bleibt die Luft weg
Eine lange Verletztenliste, Abstiegskampf und Interna, die nach außen dringen, belasten die Königsblauen
Laut lachend kam Christian Heidel um die Ecke und bewies damit eine recht ausgereifte Schauspielkunst. Denn nach Lachen war dem 55-jährigen Manager gar nicht zumute - nachdem die Überlegung, ihm beim FC Schalke einen externen Experten als Hilfe bei der Kaderplanung zur Seite zu stellen, über Aufsichtsratschef Clemens Tönnies an die Öffentlichkeit gelangt war. Seit Freitag habe er gewusst, dass das Thema auf den Verein zukomme, erwähnte Heidel. »Aber man muss darüber nachdenken«, fuhr er grimmig fort, »ob es der richtige Weg ist, so etwas öffentlich zu machen.« Viel deutlicher kann man seinen Ärger über den Boss eines Kontrollgremiums nicht zum Ausdruck bringen. Nach dem 1:0 der Königsblauen am Dienstagabend gegen Lokomotive Moskau in der Champions League - das Tor erzielte Alessandro Schöpf in der Nachspielzeit - sprachen sich die beiden Herren daher aus.
Über die Ergebnisse referierte Manager Heidel später bewusst abseits von Fernsehkameras und Radiomikrofonen. Erstens: »Clemens Tönnies hat mir gesagt, er habe laut nachgedacht.« Zweitens: »Ich habe viele, viele Bewerbungen bekommen. Aber es braucht sich niemand zu bewerben. Unsere schriftliche Antwort wird lauten, dass da kein Bedarf besteht.« Und drittens: »Clemens Tönnies hat gesagt, dass die Entscheidung bei uns liegt. Das habe ich mal so zur Kenntnis genommen.«
Was Heidel neben den nun landesweit bekannten Vorbehalten des Aufsichtsratschefs gegen seine Personalpolitik und dem fatalen Signal an den aktuellen Kader besonders pikiert, ist der Rückfall in eigentlich überwunden geglaubte Zeiten. Interne Gedankenspiele in die Welt zu tragen, ist gerade in der aktuellen Situation des Revierklubs in der Tat wenig hilfreich: nach der Heimniederlage im Derby gegen Dortmund und mit engem Kontakt zu den Abstiegsrängen. Hinzu gesellt sich ein unvorstellbares Verletzungspech. »Das kommt ganz selten vor, dass fünf Stürmer ausfallen«, betonte der 21-jährige Angreifer Cedric Teuchert, der gegen Moskau ebenso in der Startelf stand wie der zwei Jahre jüngere Benjamin Goller - und nach 72 Minuten gegen den 18-jährigen Ahmed Kutucu ausgewechselt wurde. Teuchert, wegen einer Teilruptur der Hüftbeugersehne zuletzt selbst zwei Monate außer Gefecht, berichtete zudem von einer »Hiobsbotschaft« im Fall des verletzten Guido Burgstaller. Der österreichische Stürmer werde, präzisierte Heidel später, wohl auch beim Trainingsstart nach der Winterpause am 4. Januar noch nicht zur Verfügung stehen.
Als sei das alles nicht genug, musste am Dienstag auch noch Mittelfeldspieler Hamza Mendyl bereits nach einer Viertelstunde vom Feld. »Das Fußgelenk ist etwas geschwollen, das sah nicht so gut aus«, sagte Trainer Domenico Tedesco. Aus dem Mund des leidgeplagten Heidel klang das deutlich schärfer: »Langsam wird es horrormäßig. Bei der Verletzung von Hamza bleibt einem die Luft weg, das ist direkt vor unserer Bank passiert.«
Was auch passieren könnte, ist, dass sich die ohnehin komplizierte Lage in der Liga bis Weihnachten weiter verschärft. Der Sieg über Moskau und der insgesamt sehr passable Herbst auf internationalem Parkett (mit elf Punkten ins Achtelfinale der Königsklasse) könnten dem Team für das Vorrundenfinish in der Liga prinzipiell Auftrieb geben. Doch die Verunsicherung steckt den Spielern wegen der allgemeinen und durch Aufsichtsratsboss Tönnies frisch angefachten Unruhe tief in den Gliedern. »In der Champions League konnten wir befreit aufspielen, in der Bundesliga ist das ganz anders«, erklärte Torschütze Schöpf. Und Keeper Ralf Fährmann urteilte über das vorweihnachtliche Programm nachdenklich: »Augsburg, Leverkusen, Stuttgart - das sind drei schwere Spiele.«
Nicht wirklich gut für die Stimmung war zudem die Reaktion der Fans. Die wollten nach Spielschluss statt der königsblauen Kicker lieber den in ungewohntes Rot gekleideten Benedikt Höwedes feiern. Dem Weltmeister von 2014 standen bei seiner Rückkehr mit Lokomotive nach Schalke vor der Nordkurve die Tränen in den Augen - und dazu sangen die S04-Fans: »Blau und Weiß ein Leben lang.«
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